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BADEN-BADEN: „ELINA GARANCA-BERLINER PHILHARMONIKER-SIR SIMON RATTLE“

26.03.2018 | Konzert/Liederabende


Elina Garanca, Simon Rattle. Copyright: Monika Rittershaus

Baden-Baden: „ELINA GARANCA-BERLINER PHILHARMONIKER-SIR SIMON RATTLE“ – 25.03.2018

Zum Rahmen-Programm der Oster-Festspiele 2018 präsentierte das Festspielhaus gestern Abend die Premiere des „Parsifal“ sowie eine ganze Reihe elitärer Konzerte mit namhaften Solisten. Der Zyklus „Sieben frühe Lieder“ (Alban Berg) wurde 1928, mehr als zwanzig Jahre nach der Komposition der einzelnen Lieder zusammen gestellt. Alban Berg wählte aus der großen Zahl seiner Klavierlieder sieben aus, orchestrierte sie und sorgte nach reiflicher Überlegung für eine definitive Abfolge, in welcher die Tempi und Stärke der Orchesterbesetzung ständig symmetrisch wechseln. Eine gewisse Morbidität schwingt in diesen kurzen Stücken mit aber auch etwas Dekadentes.

Elina Garanca schenkt diesen Preziosen völlig neue Gestaltungen: zum vortrefflichen Klanggespür der vorbildlichen Detailvariation gesellte sich das berückend schöne, warme Timbre. Nacht (Hauptmann) erklang in sicher geprägter Emphase und exquisiter melodischer Phrase. Deutlich voneinander abgehoben dämpfte die wandlungsfähige Künstlerin die hohen Töne zu meditativem Ausdruck ganz anders als im Jahre 2011 zur Piano-Begleitung hier am Hause. Melodisch reizvolle Nuancen eröffneten zu Nachtigall (Storm) neue Hör-Perspektiven wie auch zu den restlichen ungeheuer einfühlsamen Deutungen, deren rauschhaft-schillernde musikalische Fin-de-Siécle-Opulenz der Sängerin faszinierte, lediglich der elitären Sängerin völlig unüblich, irritierte mich zuweilen die unartikulierte Deklamation.

In transparenter Instrumentierung begleitete Sir Simon Rattle mit den fabelhaft und pathosfrei aufspielenden Berliner Philharmonikern die breit gefächerten sinnlichen und atonalen Zwölftonklänge.

Impressionistische Couleurs Exotik pur – man riecht schier die Düfte des Orients bei „Scheherazade“ (Maurice Ravel). Die Texte zu diesen Erzählungen stammen vom befreundeten Dichter Léon Leclére, dessen Pseudonym sich allerdings aus zwei Wagner Opern erklärt: Tristan Klingsor. Wie Ravel gehörte er zur Künstlerclique „Les Apaches“ welche in Paris um 1900 regelmäßig traf und austauschte. Nach der Weltausstellung 1889 bestimmte die Orientmode der Kunst aller Sparten und so entstanden auch die drei Lieder dieses Trends.

Geradezu prädestiniert erschien mir das herrliche farbenreiche Timbre Elina Garancas als sie die schillernd-exotischen trois Poémes interpretierte, man wähnte sich inmitten des orientalischen Flairs bar ihrer kongenialen Symbiose von Text und Musik.

In exzellenter Präsentation ließ Garanca die Hörer in die fernöstlichen Welten zu Asie eintauchen, man wähnte sich in visuellen Bildern den Mandarinen, den schauerlichen Berichten der Erzählerin nahe. Im dramatisch aufschwingenden Ton der Sängerin tauchte man in die faszinierend-spannenden Details akustisch regelrecht ein. Der in allen Registern gleichwohl bestens warm, ausgewogenen, leuchtend fokussierten Stimme voll variabler Klangfülle lauscht man gerne.

Den Blick ins Innere eines arabischen Hauses richtet die Erzählerin zu La Flúte echantée, genießt den Zauber, den Charme der Linienführung der wunderbaren Stimme der deklamatorischen Facetten. Feine Couleurs, melancholische Momente verinnerlichte Elina Garanca zum ausdrucksstarken Vortrag von L´Indifférent, zur dritten Episode mit der sinnlich unterschwelligen Erotik. Authentisch servierte die exzellente Fabulier-Künstlerin zum berauschenden vokalen Parfum ihres herrlichen Timbres, Ravels farbenreiche Klangwelten.

Was wäre eine noch so großartige Solistin ohne adäquate Begleitung. In dezent-schillernder Instrumental-Formation umschmeichelten die Berliner Philharmoniker unter Sir Simons sensibler Stabführung Garancas kostbare Stimme.

Mit Bravos und herzlicher Zustimmung bedankten sich die begeisterten Zuhörer.

Eröffnet wurde der Konzertabend mit der symphonischen Dichtung „Don Juan“ (Richard Strauss) welche Sir Simon Rattle mit seinen „Berlinern“ derart transparent, instrumental, komplex, raffiniert samtig, rund, geschmeidig orchestriert servierte – ich kam aus dem Staunen nicht heraus!

Zum finalen Abschluss hatten die Berliner Gäste die burlesken Szenen „Petruschka“ (Igor Stravinsky) im Gepäck und illustrierten das musikalische Geschehen lebendig und charakteristisch so u.a. die bizarr orchestrierten Tänze, Leierkasten-Weisen, schmachtenden Liebesserenaden sowie die dramatischen Ausbrüche von orgiastischer Wildheit. Die expressiven Sprünge der außer Rand und Band geratenen Jahrmarktspuppe bringt das Orchester durch krasse Stimmungsgegensätze schier in Bedrängnis. Weit gefehlt zur Interpretation Sir Simons in souverän angenehm-ruhiger Zeichengebung band der Dompteur drohende Fanfaren seiner exzellenten Blechfraktionen mit herrlichen Streicher-Passagen in atemberaubende Musizierfreude mit ein. Exemplarisch wurde die Mischung aus Realistik, Parodie und unheimlicher Phantastik der entfesselten Intervalle höchst qualitativ in musikalisch blühende Gewächse umgesetzt.

Überschäumende grenzenlose Begeisterung im ausverkauften Festspielhaus.

Gerhard Hoffmann

 

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