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BADEN-BADEN: DENIS MATSUEV – SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE – CHRISTIAN THIELEMANN

03.06.2018 | Konzert/Liederabende

Baden-Baden: „DENIS MATSUEV-SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE – CHRISTIAN THIELEMANN“ – 02.06.2018

 

Erneut gastierte die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung ihres Chefdirigenten Christian Thielemann im Festspielhaus, mit von der Partie der Pianist Denis Matsuev.

Der russische Tastenkünstler präsentierte das „Zweite Klavierkonzert“ von Franz Liszt in kolossaler enthemmter und dennoch nie aus dem Ruder laufenden Pianistik bei gleichzeitiger orbitaler Musikalität. Gegenüber dem stählernen Vorgängerkonzert des ungarischen Komponisten ist das Zweite A-Dur in weicheren Farben gehalten und dennoch gespickt mit straffen, rhythmischen, tiefsinnigen Motiven.

Wesentlich trat das Klavier in den Vordergrund, schenkte dem Werk eine grundlegende Zeichnung welche durch das begleitende Orchester seinen komplexen Ausdruck erhält.

Elegant, gestalterisch, nuanciert und farbenreich begegnete Denis Matsuev dem Zwanzigminuten-Werk in einem Satz, betonte geheimnisvoll die dämmernden Harmonien in funkelnder Leichtigkeit der Steigerungen. Bedeutsam eindringlich korrespondierte der Pianist im weihevollen Dialog mit dem Cello gleich einer frommen Versöhnung. Markant, wirkungsvoll in komplexen Akkorden, funkelnder Virtuosität führte Matsuev die melodisch veränderlichen Themen brillant ins Finale. Mit einer Extraportion rhetorischem Pathos von Christian Thielemann dezent inspiriert begleitete die Sächsische Staatskapelle in orchestraler Intensität.

Große Begeisterung für den Solisten und alle Beteiligten, zum Slogan „in der Kürze, liegt die Würze“ bedankte sich Matsuev mit einer zweiminütigen Zugabe.

Als Konzertauftakt erklang die romantische Ouvertüre zu „Oberon“ (Carl Maria von Weber) und entführte in die Traumwelt von Geistern und Fabelwesen. Mystisch erklang zu Beginn Oberons Zauberhorn und lockte die Waldgeister und Elfen herbei von den Holzbläsern fein getupft, die Streicher webten feine Figuren und die Trompeten kündigten in Marschrhythmen das Antrippeln der Geister an. Der Spuk zerstob und die Themen Hüon und Rezia entfalteten ihre Melodie im schwungvollen orchestralen Jubelton ihr glückliches Finale.

Ja wie bereits zum Beginn erklang im Geiste der Romantik zum offiziellen Abschluss des Konzertabends die „Vierte Symphonie“ von Johannes Brahms. Diese letzte Symphonie des bedeutenden Komponisten unterscheidet sich im Merkmal von ihren drei Vorgängerinnen durch die Diktion vergangener Jahrhunderte. Uralte Sakraltonarten leben in ihrer Melodik wieder auf: mittelalterliches Kolorit, barocke Formen etc.

Ohne Einleitung begann das Allegro non assai dem Hauptthema des Satzes und offenbarte bereits die klare transparente Instrumentationskunst des genialen Brahms. Kanonverwandt, echoartig im Frage- und Antwortspiel malten akkurate Holzbläser mit hervorragend intonierenden Hörnern melodische Harmonien, Bässe und tiefe Streicher gesellten sich in fundamentaler rhythmischer Auflockerung hinzu. Christian Thielemanns Brahms-Version erstrahlte in herbstlichen Farben, in sämigem Streicherklang, dunkel getöntem Bläsertimbre, jedoch auch geprägt von atemberaubend eleganter Rasanz.

Gleich einer Ballade erklang das Andante moderato zur vom Horn getragenen archaischen Konsonanz eingeleitet, einem melancholischen Barden-Lied. Betörend von den Celli gesponnen, in geheimnisvollen Figurinen der Violinen übernommen, packend ließ der einfühlsame Dirigent seine herrlich musizierende Staatskapelle melodisch anschwellen, verhallend im Nebel der Zeit.

Wundervoll gespielt wurde das Presto giocoso, einem Scherzo wie Brahms keines zuvor und wieder schrieb, eine Seite seines Wesens enthüllend, welche sonst nirgends in seinen Werken offenbar wurde. Wilder Humor, sprunghafte Verläufe voll leidenschaftlicher Spannungen von präzise hellen Bläsern in grellen Farben intoniert. Das Orchester jubelte, schrie, stöhnte, flüsterte, wirkte träumend versonnen und schäumte konträr in jagendem Presto auf. In höchster Präzision führte Thielemann seinen Dresdner Klangkörper schwungvoll durch die Partitur.

Mit der Chaconne welche im Sonatensatz des Allegro energico eingeschmolzen, krönte Brahms das Finale seines symphonischen Schaffens. In handwerklichem Können verbanden sich Dirigent und Klangkörper zu genialer Tonalität und Variation dieses prächtigen Finalsatzes. Aus der Abgeklärtheit, aus dem Ernst, aus dem düstern Pathos der Partien vernahmen wir akustisch die Stimme eines Menschen, berührte unser Herz die Mahnung, dass alles auf Erden vergänglich ist. Dynamisch bewegt voll thematischer Kraft klang das Werk in klassischer Gestaltungsform aus.

Mit Bravos und tosendem Applaus bedankte sich das begeisterte Publikum und wurde wiederum mit der prächtig musizierten, feinsinnig detailliert aufgefächerten Ouvertüre zu „Euryanthe“ (Weber) belohnt.

Gerhard Hoffmann

 

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