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BADEN BADEN: CHICAGO SYMPHONY-ORCHESTRA / RICCARDO MUTI

26.01.2017 | Konzert/Liederabende

Baden-Baden: „RICCARDO MUTI –

                             CHICAGO SYMPHONY ORCHESTRA“ – 25.01.2017

Chicago SO - Riccardo Muti Copyright Todd Rosenberg
Copyright: Todd Rosenberg

Den Jahreskonzerten des Freundeskreises Festspielhaus e.V. eilt stets bedingt der Einladungen elitärer Gäste der Ruf des Besonderen voraus und somit erfüllte diese ehrwürdige Institution auch heute wiederum höchste Ansprüche. Während seiner Europa-Tournée gastierte eines der renommiertesten  Klangkörper Amerikas das Chicago Symphony Orchestra unter der Leitung seines Chefdirigenten Riccardo Muti an der Oos.

Die außer Frage ungewöhnliche,  spektakuläre Konzertauswahl wurde mit „Konzertmusik für Streicher und Blechbläser“ von Paul Hindemith eröffnet. Das relativ kurze Stück wurde 1931 für das Boston Symphony Orchestra geschaffen, erhielt dadurch auch den Beinamen „Bostoner Symphonie“ und erbringt stilistisch eigenwillige konzertante Wirkungen.

Der  erste Satz verlief außerordentlich energisch im polyphonen Gegeneinander der Themen und Klanggruppen, mündete sodann in ein kraftvolles Bläser-Ostinato. Das Bild des lebhaft gegliederten zweiten Satzes wurde von Maestro Muti mit den prächtig musizierenden Streichern herrlich lyrisch intoniert. Zum furiosen Finale entfalteten sich dazu in präziser Akkuratesse die Blechbläser.

Zur frostigen Jahreszeit entführte Edward Elgar mit seiner Ouvertüre „In The South“ in sonnige Gefilde. In spürbarem Enthusiasmus folgen die nordamerikanischen Musiker dem temperamentvollen Altmeister italienischer Schule zum mitreißenden, musikalischen, südländischen Plädoyer des englischen Komponisten. Facettenreich, energiegeladen, brillant in optimaler Tonsprache, feinnervig, klanglicher Raffinesse präsentierte Maestro Muti mit typisch italienischen Esprit den angemessenen Orchestersound des Werkes.

In konträren Temperaturschwankungen wurden die Zuhörer nach der Pause zum Abstecher auf  „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ geladen. Zur imposant gewaltigen Orchestrierung  Nikolai Rimsky-Korsakows  entführte Riccardo Muti in das musikalische Programm: Unterirdischer Lärm von Geisterstimmen – Erscheinung von Geistern der Finsternis, danach des Satans selbst vom Komponisten Modest Mussorgski eigens betitelt. Grandios vermittelte das bestens disponierte Chicago S.O.  die orgiastischen Vorgänge, die erschreckenden Töne der Höllenmesse, sowie die finale Verklärung zum  Glöckchen der fernen Dorfkirche, welches die Geister der Finsternis zum Tagesanbruch zerstreut.

Zum offiziellen Abschluss erklang nochmals ein Werk des russischen Meisters und zwar „Bilder einer Ausstellung“. Soweit wir wissen, handelt es sich hier um einen Zyklus von Klavierstücken, an deren Instrumentation der Komponist nicht dachte. Doch reizte die Fülle der beschriebenen Stimmungen andere Tonsetzer eine Orchestrierung zu arrangieren. Somit erlebten wir heute die bearbeitete Version von Maurice Ravel zu den Illustrationen des Malers Viktor Hartmann und Freund Mussorgskis, verbunden stets mit einem kurzen Musikstück betitelt Promenade.

Maestro Muti verstand es vorzüglich den Affektreichtum der Partitur auszubreiten, ich beschränke mich nur auf wenige Gemälde, blieb dem Witz des Gnom, den Disharmonien der Tuilerien  nichts schuldig. Süffisant verband der Dirigent die Orchestergruppen des prächtig aufspielenden Klangapparats und kostete so auch jenes Scherzo Die Küken in den Eierschalen in schwebender Leichtigkeit aus. Piepsig erklang die äußerst bissige, parodistische Karikatur Samuel Goldberg und Schmyle.

Das sonst so erbarmungslos formulierte vulgäre Geschnatter der Weiber des Bildes Der Markt von Limoges orchestrierte Muti geradezu in feiner Delikatesse, einem Perpetuum mobile gleich. In schauerlichen Akkorden der Grabesatmosphäre vernahm das gewaltige Instrumentarium zu Katakomben und illustrativ in Kraftentfaltung und gebündelter orchestraler Homogenität, erschloss sich Das große Tor von Kiew.

Ergehen sich so manche Interpretationen dieser akustischen Illustrationen in lärmenden Überproportionen, nicht so bei Maestro Muti. Der geniale Dirigent bedient sich dank seines hervorragenden Orchesters einer konstruktiven Tonsprache bestimmter Tonintervalle und erzielt somit auf wunderbare Weise faszinierend-klangvolle Resultate.

Das begeisterte Publikum dankte bereits mit Bravostürmen nach jedem Konzertstück, doch nun entluden sich wahre Ovationen. Soviel Enthusiasmus quittierten Muti und die amerikanischen Gäste mit der  Ouvertüre zu „Nabucco“ (Giuseppe Verdi) musiziert in Brillanz und Akkuratesse wie man sie sonst nur in der Scala hören kann. Bedankt mit einem Aufschrei der Begeisterung und Standing Ovation.

Laufe ich auch in Gefahr mich zu wiederholen, kann ich´s mir nicht verkneifen zu bemerken: für ein derartig vollkommenes Konzerterlebnis gebe ich gut und gerne „einige“ halbherzige Opern-Aufführungen hin.

Gerhard Hoffmann

 

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