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BADEN-BADEN: ADRIANA LECOUVREUR

23.07.2018 | Oper


Tatjana Serjan, Migran Agadzhanyan. Copyright: Andrea Kremper/ Festspiele

Baden-Baden: „ADRIANA LECOUVREUR“ – 20.07.2018

Während der Sommerfestspiele 2018 präsentierte das Festspielhaus wiederum eine erlesene Schar von Künstlern und Ensembles u.a. das Mariinsky Theater St. Petersburg mit dem szenischen Gastspiel der Verismo-Oper „Adriana Lecouvreur“ (Francesco Cilea) sowie zwei hochkarätigen Konzerten. Ein Albtraum eines jeden Intendanten wurde real: das prominente Ehe-Sängerpaar Anna Netrebko/Yusif Eyvazov erlag einem Virus und musste umbesetzt werden – so ist´s nun mal, auch Künstler „sind nur Menschen“! Da war guter Rat teuer, die Not in Tugend zu wandeln und einen gleichwertigen (?) Ersatz aus dem Ärmel zu zaubern.

Ohne Verfremdungen erzählte in sehr konventioneller und teils hilfloser Personenführung Isabelle Partiot-Pieri aus weiblicher Sicht die Story um die differenzierten Charaktere sowie der Diva der Comedie Francaise. Weniger reisetauglich erwies sich das pompöse Ambiente der Bühnenausstattung ebenso von der Dame entworfen. Die schönen epochalen Kostüme kreirte Christian Gasc, für das optisch hell durchflutete Lichtdesign sowie die per Video eingeblendeten Filmsequenzen aus Opas Trickkiste zeigte sich Pierre Dupouey verantwortlich, die banalen, schon peinlichen tänzerischen Intermezzi wurden von Ilya Ustyantsev choreographiert.

Ich zolle jeder Sängerin hohen Respekt des Mutes eine prominente Kollegin zu vertreten. Aus früheren Begegnungen hatte ich Tatiana Serjan nur negativ in Erinnerung, ihre sangliche Leistung gestaltete sich auch heute nicht zum Positiven. Für mich völlig unverständlich, dass die Mariinsky-Talentschmiede keinen adäquateren Nachwuchs in petto hatte. Die Sopranistin glänzte zuweilen zwar mit angenehmen Piani, nahm zur regielich bedingten Darstellung positiv für sich ein, schenkte jedoch der Titelheldin während des Abends mehr dramatischen denn lyrischen Aplomb, einen gleisenden Dauerton, Registerbrüche und ermüdete im vierten Akt hörbar, dessen Umstand wohl auf den „Gifthauch“ des Veilchen-Sträußchens zurück zuführen war?

Obertonreiches expressives Material brachte Ekaterina Semchuk als nymphomane Fürstin von Bouillon mit ein, das brachiale Tiefenregister der Mezzosopranistin schmeichelte jedoch keineswegs meinem Ohr. Dennoch wurde das hochdramatische publikumswirksame Duett der Rivalinnen einhellig bejubelt.

Der 26-jährige Migran Agadzhanyan (Schüler u.a. von Renata Scotto) kam, sang und siegte. Der gebürtige weißrussische Sänger reüssierte bereits am Mariinsky-Theater sowie an diversen italienischen Bühnen und gastiert zur nächsten Saison in Geneve und Lyon, ein Tenor-Talent geprägt von exzellenter Musikalität und kultivierter Vokalise. Als rivalisierendes Objekt weiblicher Begierden ging der junge Spund nicht nur optisch eindeutig als Sieger hervor. Zu prächtigen höhensicheren Aufschwüngen präsentierte Agadzhanyan tenoralen Schmelz, herrliche Kantilenen in Verbindung eines wunderbaren Timbres und avancierte mit dieser vortrefflichen Leistung zum Publikums-Favoriten.

Herzenswärme schenkte Alexei Markov dem unglücklich verliebten Impressario Michonnet und adelte die Partie mit herrlich strömendem Bariton und nuancierten Farben zur wahren Luxus-Besetzung.

Als Fürst von Bouillon glänzte mit dunkel-sonorem Bass Dmitry Grigoriev, dem intriganten Abbé (Alexander Mikhailov) standen charaktertenorale Eigenschaften zu Gebote. Schönstimmig fügten sich in den kleinen Partien der Mademoiselles Jouvenot/Dangeville (Anna Denisova/Marina Mareskina), Quinault (Gleb Peryazev), Poisson Mikhail Makarov) sowie der vortrefflich agierende Mariinsky-Chor ins dünkelhaft-intrigante Geschehen.

Absolut heimlicher Star der Aufführung war manch aufsehenerregender Sängerleistung zum Trotz: Valery Gergiev mit dem betörend aufspielenden Mariinsky Theater Orchester. Standen der Titelheldin jene raumgreifenden Vokal-Emotionen weniger zu Gebote, verstand es Maestro Gergiev diese umso mehr orchestral zu offenbaren. Seidenweiche elegische Streicherklänge umschmeichelten die lyrischen Formationen vereinten sich mit auftrumpfend mächtigen Instrumental-Dimensionen zur farbenreichen Klangpracht der veristischen Partitur.

Leistungsgerechte Verteilung der Publikumsgunst, Ovationen für Gergiev und Agadzhanyan.

Gerhard Hoffmann

 

 

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