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BADEN-BADEN/ Festspielhaus: „DANIEL HOPE – MARIINSKY ORCHESTER –  VALERY GERGIEV“

08.07.2019 | Konzert/Liederabende

Baden-Baden: „DANIEL HOPE – MARIINSKY ORCHESTER –  VALERY GERGIEV“  –  07.07. 2019

Am Folgeabend präsentierten die Gäste aus St. Petersburg ein französisch-russisches Programm und eröffneten zu den sommerlich schwülen Außentemperaturen den Konzertabend mit „Prélude á l´aprés-midi d´une faune“ (Claude Debussy). Mit lockerer Hand führte Valery Gergiev „sein“ Mariinsky Orchester durch die impressionistische Atmosphäre des Werkes. In duftigen instrumentalen Couleurs illustrierte Gergiev die Partitur um das erotische Spiel des liebestollen Fauns mit den schönen Nymphen sinnlich, flüssig, flirrend wie schwüle Sommerlüftchen orchestriert.

Sodann wechselte das Bild in expressionistische Gefilde russischer avantgardistischer Klangmalerei. Daniel Hope interpretierte Sergej Prokofjews „Zweites Violinkonzert“. Das 1935 an diversen Aufenthaltsorten des Komponisten entstandene Werk wurde noch im gleichen Jahr in Madrid uraufgeführt und die Kastagnetten-Frequenz sollte wohl als Reverenz an die spanische Hauptstadt gelten.

In typischer Solist-Orchester-Interaktion kontrastierte der britische Geiger das melancholisch anmutende Thema im ersten Satz, fokussierte klar im Ton und schenkte dem Andante schnörkellose melodische Linien, prächtig unterfüttert von prismatischem Funkeln der feinen Kantilenen. Virtuos hochkonzentriert ließ Daniel Hope stets spielerisch anmutig den humoristischen Aspekt Prokofjews durchblitzen, brachte flüssig mehr Energie ins Spiel und verhalf schließlich dem finalen Allegro in glasklarer Intonation, technisch-vehementer Bogenführung zum motivisch-strukturellen höchst brillanten Ausklang.

Valery Gergiev lieferte dazu mit dem farbprächtig aufspielenden Mariinsky Orchester die authentische Untermalung mit ihren rhythmischen Verdichtungen und spannenden Kontrasten.

Für die überschäumende Begeisterung bedankte sich Hope über das Mikrophon ansagend mit dem sehr transparent und virtuos gespielten Zweiten Satz der „Violinsonate“ (Schulhoff).

Den Höhepunkt des konträren Konzertverlauf bildete jedoch ohne Zweifel der symphonische Koloss „Die Leningrader“ von Dmitri Schostakowitsch. Erlebte ich das Werk vor zwei Wochen mit dem Enfant terrible der Dirigenten-Szene Teodor Currentzis in höchst brillanter eigenwillig-interessanter Version muss ich gestehen, dass ich der heutigen Interpretation den Vorzug gab.

Es gibt ja nur wenige Dirigenten welche diese „Leningrader“ authentisch und kontrapunktisch erfassen und dementsprechend mit einem exzellenten Orchester dem Zuhörer offenbaren können, Valery Gergiev jedenfalls bewies heute, dass er dieser extremen Herausforderung in jeder Hinsicht  gerecht wurde. Schostakowitsch  schuf den symphonischen Epos nach Vorskizzen während der Belagerung und widmete sie schließlich dieser leidvollen Stadt welche am 05. März 1942 ihre legendäre UA in Kuibyschew durch das dorthin evakuierte Orchester des Moskauer Bolschoi erlebte.

Das intonierte Invasionsthema des ersten Satzes zitiert sarkastisch das frivole Maxim-Lied Lehars, elfmal wird es eisern variiert in Anspielung auf Ravels Bolero und eskaliert schließlich in gewaltigem Crescendo aus Schlagzeug-Salven und alarmierenden Blechbläser-Fraktionen. Man wurde des Schreckens welcher über die Stadt hereinbrach gewahr, in langem unheimlichem Pianissimo zu gewaltig anwachsendem lärmenden Furioso akustisch illustriert folgte eine Reprise  welche schier in Leere und Trauer verhallte.

Großartig arbeitete Gergiev vielschichtig die Feinheiten der Partitur heraus, die Holzbläser intonierten vordergründig im stampfenden Rhythmus die Invasion das präzise musizierende Orchester folgte willig in brillanter Formation den Intensionen seines Dirigenten zur musikalisch dargestellten Gewalt.

Verlorene Illusionen könnte man das folgende Scherzo betiteln? In fein ausgesponnenen lyrischen, teils pathetischen Melodien wurden Erinnerungsbilder wach (Schostakowitsch hatte sie bereits vor Kriegsbeginn entworfen) und beschworen Stimmungen an beschwingte Episoden, immer wieder durchsetzt von Gewaltmotiven und die abgetönten Klangfarben wechseln stets zwischen Dur und Moll.

Archaisch, erhaben folgte sodann das Adagio von dominierenden Holzbläsern erklang dieser choralartige Satz gleich einem Geleit, von einer schrillen Groteske und schrägen Rhythmen entfesselnd unterbrochen. Bewundernswert wie es Gergiev verstand die erzählerischen Passagen musikalisch mit dem vortrefflich aufspielenden Klangkörper kompakt und präzise zu vermitteln. Da wurden Anklänge an Mahler wach, Dissonanzen wechselten zu melodischer Aussage in präziser exzellenter Umkehrung.

Beim Finale führte der Wiederstand und tragende Gedanke „Glauben an den Sieg der Vaterlands-Helden“ nach erneuten Kämpfen zum lebensbejahenden Hymnus und emotionalem Höhepunkt dieser Symphonie. In einem attacca  strebten die instrumentalen Gruppierungen dem finalen Inferno, die realen Schrecken erneut reflektierend dem tosenden Ende zu. Ein musikalisches Vermächtnis in dessen Aussage sich nicht nur Darstellungen von Krieg, Gewalt, dem Bösen in der Welt – nein sich auch der Glaube an Frieden und Hoffnung manifestierte. Diese gewaltige Musik in dieser Brillanz erschütternd, wahrhaft, ehrlich  interpretiert und ohne Effekthascherei serviert riss die Zuhörer von den Sitzen und animierte das Publikum zu überschäumender Begeisterung.

Kaum zu glauben aber wahr, dass es nach einem gewaltigen Werk noch ein Dacapo gab: Gergiev und sein Orchester bedankten sich mit dem Finale des „Feuervogels“ (Stravinsky).

Zu herrlich elegischem Beginn formierten sich die Musiker zum gewaltigen orchestralen Klangbild. Ein elitärer symphonisch-konzertanter Ausklang beendete eine erfolgreiche Festspielhaus-Saison und zugleich die Aera des genialen Intendanten.

Lieber Herr Andreas Mölich-Zebhauser ich bedanke mich auch im Namen der Redaktion für Ihre unermüdliche Arbeit, die wunderbaren Events im Festspielhaus Baden-Baden während der letzten zwei Jahrzehnte – gerne würde ich in dankenswerter Weise Mozarts Lied Nehm´t meinen Dank ihr holden Gönner  anstimmen, doch das lasse ich (da völlig unbegabt) lieber. Dafür wünsche ich Ihnen von Herzen während des wohlverdienten Ruhestands Gesundheit und alles Gute, sowie noch viele, sehr viele wunderbare kreative Jahre.

Gerhard Hoffmann

 

 

 

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