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BAD WILDBAD/ Rossini in Bad Wildbad: LE PHILTRE / LA SCALA DI SETA / ELISABETTA, REGINA D’INGHILTERRA / ROSSINI & CO.“  

20.07.2021 | Oper international

ROSSINI IN BAD WILDBAD 2021

„LE PHILTRE / LA SCALA DI SETA / ELISABETTA, REGINA D’INGHILTERRA / ROSSINI & CO.“  15. – 18.07.2021

Nach dem ausgefallenen letzten Festspielsommer war es mitten im Lockdown des vergangenen Winters äußerst schwierig zu planen. Eine bessere Chance erhofften sich die Veranstalter von Vorstellungen mit Openair-Charakter, die nicht ganz so strengen Corona-Auflagen unterworfen sind. Dies bedeutete die sonstigen Spielstätten Trinkhalle und Kurtheater aufzugeben.

Stattdessen wurde ein mit einem neuen Dach versehener Stadel am äußersten Ortsrand (genannt Offene Halle Marienruhe, die sich letztlich aber als nur minimal auf einer Seite geöffnet entpuppte) und das ehemalige Luft- und Sonnenbad in Halbhöhenlage des Kurparks zum Mittelpunkt des Geschehens. Das unbeständige regnerische Wetter der ersten Festspielwoche erzwang die Verlegung aller Darbietungen in das – wie sich heraus stellte – wohl aufgrund seiner Holzkonstruktion akustisch erfreulich resonanzreiche ehemalige landwirtschaftliche Gebäude.

le philtre eugenio di lieto bad wildbad 2021 04
Le Philtre Feiner Belcanto-Bass. Eugenio die Lieto

Zuerst ist von der modernen Erstaufführung der ein Jahr vor Donizettis Erfolgsopus entstandenen Fassung des „LE PHILTRE“ (= Der Liebestrank) durch Daniel Francois Esprit Auber zu berichten. Natürlich muss sich die zu einem Libretto des Vielschreibers Eugène Scribe geschaffene, zumindest in den ersten Jahren noch häufig gespielte Oper einem Vergleich mit der allseits geschätzten Version seines italienischen Kollegen stellen. Der Verlauf der Handlung ist derselbe, die Aufteilung der einzelnen Gesangsnummern unter die Partien ist jedoch verschieden, wobei die Rolle des Wunderdoktors durch hier fehlende Duette mit den beiden anderen männlichen Hauptcharakteren am meisten abweicht. In den besten Momenten kann es Aubers Werk vor allem aufgrund seiner von Rossini beeinflussten Einstreuung der Bläser sowie des virtuosen Aufbaus von Ensemble-Szenen mit dem Meister aus Bergamo aufnehmen. Auch der melodische Einfallsreichtum ist kaum weniger griffig, zumal wenn sie wie im 1.Akt-Finale von einer Rolle zur nächsten wandert und jeweils rhythmisch voneinander abgesetzt ist. Dabei sticht auch ein Pizzicato begleiteter Abschnitt heraus, ebenso wie der Einsatz der Trommel im Umfeld des stolzen Sergeanten, den Térézine zunächst zum Ärger von Guillaume ehelicht. Speziell der Einsatz des Schlagwerks lässt an Aubers bekanntestes Bühnenwerk „Fra Diavolo“ denken.

Der Reiz dieser bis dato unbekannt gebliebenen Liebestrank-Variante konnte sich trotz der etwas beengten und spartanischen Ersatzspielstätte recht gut entfalten, abgesehen von den Einschränkungen eines heftigen Regenschauers, der eine Vorverlegung der Pause mitten im ersten Akt erzwang.

elisabetta patrick kabongo bad wildbad 2021

Sympathieträger der ländlichen Geschichte ist auch hier der etwas ungeschickte, aber liebenswerte Guillaume (Nemorino) in seinem bis zur Selbstaufopferung reichenden Kampf um Térézines (Adina) Herz. Sicher ist er auch deshalb musikalisch am reichsten bedacht. Der hier seit einigen Jahren präsente Nachwuchstenor Patrick Kabongo legt mit seinem attraktiv warmen Timbre und seinem feinen Sinn für lyrische Nuancierung viel Herzblut in den bemitleidenswerten, von Térézine lange hingehaltenen armen Landarbeiter. Die Phrasierung sowie das leicht aufblühende Höhenregister entsprechen ideal den Belcanto-Anforderungen, dessen Tradition Auber aufgegriffen und mit französischem Esprit kombiniert hatte.

Luiza Fatyol setzt ihren gleichmäßig durchgebildeten, nur in der Höhe gelegentlich etwas scharf werdenden Sopran mit so manchem Unterton in Szene und gibt der kokett mit Männern spielenden Gutsherrin auch in diesem konzertanten Rahmen glaubwürdige Gestalt. Emmanuel Franco hat für den aufschneiderischen Sergeanten Joli Coeur einen angemessen markanten strammen Bariton, dem es aber stilistisch doch an Geschmeidigkeit und im Timbre an Charme fehlt. Eugenio Di Lieto bietet dagegen für den schlitzohrigen Fontanarose (Dulcamara) einen fast zu noblen, spielerisch funktionierenden, technisch ausgebufften Bass. Adina Vilichi ergänzt als Guillaumes reiches Erbe im Dorf verbreitende Wäscherin Jeanette mit adrettem, klar geführtem Sopran.

Eine kleine Abordnung des Philharmonischen Chores aus Krakau, der zusammen mit dem dortigen Orchester das diesjährige Festspiel-Kollektiv stellt, gibt der lebhaft am Geschehen beteiligten Landbevölkerung lebhafte Fülle und Frische, wobei die Männer etwas in den Hintergrund geraten. Das Philharmonische Orchester Krakau lässt unter der aufmerksam disponierenden und animierenden Leitung von Luciano Acocella Aubers musikalische Eingebungen oft blitzen und seine Stellung in der Musikgeschichte deutlich werden.

Im Ganzen eine durchaus lohnende Alternative, die auch im Repertoire Chancen haben müsste.

Von Rossinis fünf frühen Farse ist „LA SCALA DI SETA“ zwar nicht die zuletzt geschriebene, aber die an Einfällen reichste. Das beginnt bereits mit der auch abseits der Opernbühne bekannt gewordenen Ouvertüre, einem Meisterwerk an filigraner Lebensfreude und mitreißender Animationskraft. Der unvergessene Alberto Zedda hatte das Werk selbst hier vor vielen Jahren bereits so umwerfend geleitet, dass die Begeisterung nach der Ouvertüre nicht mehr zu toppen war. Dem Vergleich mit diesem König unter den Rossini-Experten muss sich jeder andere Dirigent stellen, weshalb hier zunächst vom Maestro die Rede ist: José Miguel Pérez-Sierra macht seine schon mehrfach bewiesene Rossini-Erfahrung nicht nur in diesem orchestralen Einstieg, sondern die ganze Aufführung hindurch spürbar. Lust am Witz, am Herauskitzeln der quirligen Holzbläser wie an den leichtfüßig crescendierenden Streichern, am Abstimmen mit den Bedürfnissen der Sänger – die MusikerInnen aus Krakau lassen sich nicht lange bitten und greifen die Impulse vom Pult dankbar auf, folgen ihnen mit überwiegender Geschlossenheit und so manchem Extra-Akzent (Hörner, Piccolo-Flöte).

In der auf wenige Requisiten konzentrierten Inszenierung von Stefania Bonfadelli, die auch für die an die Gegenwart heran geholten Kostüme verantwortlich zeichnet, werden die Fäden der Handlung, die unter Hintergehung des Vormunds am Ende zwei glückliche Paare sieht, einfach und verständlich geknüpft. Als Bühnenhintergrund dient eine Einblendung des vorgesehenen, aber wegen unsicheren Wetters nicht möglichen Spielortes, des historischen Luft- und Sonnenbades mit seiner Galerie, die zu diversen Kabinen führt. Die einst renommierte Sopranistin erzählt das Stück als bürgerliche Gesellschaftskomödie in einem sich in Renovierung befindlichen Haus mit vielen Maler-Utensilien und den heimlichen Liebhaber Dorvil und dem Hausdiener Germano als Handwerksleuten.

Ersterer ist mit Michele Angelini bestmöglich besetzt. Der klar und ansprechend timbrierte Tenor hatte hier bereits 2019 als Corradino in „Matilde di Shabran“ triumphiert, hier genügte die mit weitem Atem, blitzsauberen Koloraturen und exzellent eingebundenem Spitzenregister mühelos bewältigte Bravourarie des über eine Leiter zum Zimmer der Geliebten gelangenden Auserwählten, um ihn zum Publikumsfavoriten zu machen. Mit etwas mehr Zurückhaltung und eher schmaler Mittellage, aber einfühlsam geführtem und in der Höhe rund und strahlend aufgehendem Sopran kann sich Claudia Urru als Giulia kaum weniger profilieren.

Auch Eugenio di Lieto ist als wohlhabender Wunschgatte Blansac mit seinem weiche Nuancen setzenden Bass ideal eingesetzt, weshalb ihm auch zurecht die Ehre zuteil wurde, die 1991 von Alberto Zedda erstmals im Rahmen einer Inszenierung an der Stuttgarter Oper gespielte, von ihm wieder entdeckte Konzertarie „Alle voci della gloria“ zu interpretieren und den gegnerischen Liebhaber damit musikalisch ins Gleichgewicht mit seinem Kontrahenten zu bringen. Dies tut Di Lieto mit so viel Geschmack und Brillanz, aber unter Verzicht auf einen diesem Stück innewohnenden pathetischen Prunk, so dass sie nicht als stilistischer Fremdkörper im Metier der Komödie daher kommt.

Emmanuel Franco gibt dem etwas einfältigen und für allerhand Verwirrung sorgenden Germano sowohl die spielerische wie auch die musiksprachliche Potenz, auch wenn manches etwas weniger streng vokal denkbar ist. Meagan Sill läßt als Blansac für sich gewinnende seconda donna Lucilla einen etwas bedeckten, weit hinten sitzenden dunklen Sopran hören, der in der kleinen Sorbetto-Arie leider nicht ganz den Reiz dieser Preziose zu entfalten vermag. Remy Burnens schließlich hat als im Hintergrund (warum im Rollstuhl?) herum geführter Vormund Dormont akustisch benachteiligt keine Gelegenheit seinen wenigen Eingebungen charakterliche Stütze zu geben.

Diesen kleinen Einschränkungen zum Trotz gelang eine amüsante, durchaus Festspiel-Format aufweisende Aufführung.

Rossinis 1815 als erste für Neapel entstandene Oper „ELISABETTA, REGINA D’INGHILTERRA“, die nebenbei bemerkt auch zum diesjährigen Programm in Pesaro gehört, war hier bereits 1999 zu erleben (auf CD verewigt). Für die jetzige Einstudierung wurde eine revidierte Fassung nach dem Autograf und zeitgenössischen Manuskripten verwendet. Dabei hatte wie über all die Jahre auch der wissenschaftliche Mitarbeiter und Rossini-Experte Reto Müller recherchierend mitgewirkt. Mit ihren dramatischeren Dimensionen sprengt sie keineswegs die beengten Bretterbühnen-Verhältnisse. Natürlich musste sich Festspiel-Intendant Jochen Schönleber bei dieser in Koproduktion mit dem Slowacki Theater in Krakau entstandenen Inszenierung auf ganz wenige Versatzstücke wie Sessel, Stühle und ein Rednerpult konzentrieren, doch geriet dies dank einer stringenten Personenführung, die keinen unnötigen Aktionismus zuließ, nicht zum Nachteil des Stückes. Warum jedoch die Epoche der historischen Elisabeth I. von England nur in einigen auf einem Video auf- und abtanzenden Portraits in Erscheinung tritt (während der ein Jahr später durch den „Barbiere“ endgültig bekannt gewordenen Ouvertüre) und die Kostüme von Ottavia Castellotti auf eine neuere Zeit hinweisen, bleibt unbeantwortet. Der Gedanke an Parallelen zu späteren/heutigen Persönlichkeiten sollte dem Publikum selbst überlassen bleiben anstatt es optisch direkt darauf hinzuweisen.

elisabetta serena farnocchia bad wildbad 2021

Nun, das angesetzte Ensemble aus arrivierten und nachwachsenden Belcanto-Spezialisten vermochte solche längst zum Überdruss angewandte Geschichts-Verschiebungen mit spannungsvollen und überwiegend glänzenden Interpretationen weitgehend vergessen lassen. In der Titelrolle machte Serena Farnocchia (zuerst im roten Glitzerkleid) den Zwiespalt Elisabettas zwischen Macht und (unerwiderter) Liebe jederzeit greifbar, rang sich ihren schlussendlichen Verzicht auf den geliebten siegreichen Heerführer Leicester durch eine starke Bühnenpräsenz und ihrem immer dem jeweiligen Ausdruck unterworfenen stimmlichen Einsatz ab. Was aber nicht heißt, dass sie mit vokaler Bravour sparte, vielmehr brachte sie auf der Basis einer breiten Mittellage Registerwechsel, intime Äußerung und bissvolle Attacke sowie Koloraturbeweglichkeit unter den Hut eines dynamischen Vortrags. Eine hin und wieder eintretende Verhärtung im Tonfall schadete der königlichen Autorität überhaupt nicht, gab ihr im Gegenteil Spontaneität und Menschlichkeit.

Einen gleichwertigen Gegner hatte sie in dem hier mehrfach bekannten Mert Süngü in der Rolle des neidvollen Ehrgeizlings Norfolc um Leicesters erfolgreiche Position. Wie er diesen und die Königin für seine Pläne mit vorgetäuschter Freundschaft und Loyalität benutzt, verlautbart der Türke mit viriler tenoraler Potenz, deren Intensität und nicht immer ganz saubere, aber gewandte Virtuosität in häufig verlangten Höhenextremen den Rahmen des Stadels beinahe übersteigt. Ein Bösewicht auf Hochtouren!

Einen passenden tenoralen Kontrast bildet Patrick Kabongo als Leicester, der seine Vorzüge Stimmschönheit und lyrischen Schmelz wie bereits in der Auber-Oper erneut einbringt, aber noch eine Spur heroischen Glanz und Leidenschaft vor allem in seiner Kerkerszene entfaltet.

Seine Gattin, die Mary Stuart-Tochter Matilde, Elisabettas zuerst heimlich unter den Geiseln aus Schottland versteckte, dann verratene Rivalin um Leicesters Gunst, wird von Veronica Marini mit bewegender Unruhe aus Bangen und Hoffen, getragen von technisch leicht geführtem und stets abgerundetem Sopran, als keineswegs im Schatten verblassende Frau interpretiert. Gleichfalls aufhorchen lässt Mara Gaudenzi in der knapp bemessenen Partie des Matilde begleitenden und mitfühlenden Bruders Enrico. Gerne hätten wir von ihr mehr gehört.

Bleibt noch Luis Aguilar aus Mexiko als getreuer königlicher Hauptmann Guglielmo mit etwas matt klingendem Tenor. Die drei letzteren sind Stipendiaten der Akademie Belcanto.

Der Philharmonische Chor aus Krakau (Einstudierung: Marcin Wrobel) war bis zum Ende des 1.Aktes bedauerlicherweise hinter die Bühne verbannt und nur auf einem Video optisch anwesend, was die Balance zum Orchester gehörig ins Wanken und die Singgemeinschaft nur wenig vernehmbar machte. Da sie später doch noch auf der Bühne dabei sein durfte und ihren vollen, differenzierten Klang entfalten konnte, wirkt die Begründung, dass bei den Proben in Krakau Corona-bedingt kein Chor auf der Bühne erlaubt war, nicht ganz nachvollziehbar, zumal dessen knapper szenischer Einsatz vor Ort noch hätte gestellt werden können.

Hier trat nun der musikalische Festspielleiter Antonino Fogliani am Pult in Aktion und realisierte mit den polnischen MusikerInnen eine dramatisch geschürfte Wiedergabe dieser ersten Rossini-Oper mit vom Orchester begleiteten Rezitativen. Zupackendes und im Gegenzug melodisch sanft Entfaltetes kommen gleichermaßen zu Recht, Bläsersoli werden von den Streichern harmonisch getragen, die Tutti sind geprägt von Zugkraft und Entschlossenheit. Passend zur Abwesenheit der elisabethanischen Epoche auf der Bühne verzichtete Fogliani auch auf eine etwas betontere und prunkvollere Herausstellung der angedeuteten englischen Königshymne in den Schlusstakten der Oper, wodurch das Ende leider auch etwas zu rasch abgespult erschien.

Schließlich ist noch vom Abschlusskonzert „ROSSINI & CO.“, einer der drei während des Festivals durchgeführten Meisterklassen zu berichten. Neben Stefania Bonfadelli und Raul Gimenez leitete der Tenor Filippo Morace Gesangsstunden für einige der teils auch szenisch in die Aufführungen integrierten jungen Künstler. In einem durchaus anspruchsvollen, nicht nur auf allseits bekannte Zugstücke setzenden Programm, das nach vielen Regentagen als Matinee endlich im Freien auf dem Kurplatz zwischen dem alten Römerbad und dem Rossini-Hotel Bären, stattfinden konnte, waren einige Entdeckungen auszumachen. So z.B. der charismatische Bass Lorenzo Barbieri mit einer gesanglich, sprachlich und mimisch hinreißend veranschaulichten Registerarie aus „Don Giovanni“, die mit einem idealen hellen und technisch versierten Unschuldssopran für Bellinis elegische melodie lunghe  in der Finalarie aus „La Sonnambula“ ausgestattete Giovanna Caterina Di LucaVeronica Marini hier mit der ungemein einfühlsam und doch auch packend ausgestalteten Arie der Anai aus „Moisé et Pharaon“ oder Mara Gaudenzi, die nun hier mit ihrem saftigen, leicht schattig abgedeckten Mezzo als Rosina in einer speziell ausgeschmückten Gesangsstunden-Arie „Contro un cor“ zurecht mehr auf sich aufmerksam machen konnte. Aber auch der mit viel Schmackes und Vortrags-Witz eingesetzte üppig strömende Sopran von Gaja Pellezzari begeisterte sowohl in der Auftrittsarie der Semiramide aus Rossinis gleichnamiger Oper als auch als kapriziöse Adina im zweiten Duett mit Nemorino aus Donizettis „L’Elisir d’amore“. Als dieser zeigte Remy Burnens nach seinem etwas schwach ausgeprägten Auftritt in „La scala di seta“ erstaunlich tragendes Tenor-Potenzial und eine gute Technik. Nur das Timbre dürfte weniger grell und weicher im Tonansatz sein. Diese Einschränkung beeinflusste leider auch seine durchaus achtbare Bewältigung von Don Ramiros Arie aus „La Cenerentola“.

la scala di seta di lieto, franco, angelini, urru bad wildbad 2021 ppp 9169

Claudia Urru erwies sich nach ihrer Giulia als beachtenswert fein gestaltende und leicht in die Spitzenregionen gelangende Königin der Nacht mit deren Auftrittsarie. Es fehlt ihr indes noch etwas mehr Durchschlagskraft für diese Machtrolle. Meagan Sill schlug sich hier mit der Kavatine der Isabelle aus Meyerbeers „Robert le diable“ weitaus besser als in „La scala di seta“, weil ihr etwas verhangen dunkel schattierter, eher an einen Mezzo denken lassender Sopran jetzt besser zur Geltung kam. Adina Vilichi wiederum schlüpfte nun in die Giulia und bezwang deren große zweiteilige Arie sehr anständig, ohne mit ihrem etwas neutralen Sopran weiter aufzufallen. Nur Gaetano Amore machte trotz technischer Versiertheit als Tonio („La fille du régiment) aufgrund seines uncharmant metallischen Tenors nicht jene Freude, die speziell „Ah mes amis“ unbedingt auslösen müsste.

Der Pianist Gianluca Ascheri ist für seine flexible sängerische Anpassung und die Ausdauer im Hinblick auf eine schutzlose Platzierung in der vollen Sonne (gab es für ihn wirklich keinen Schirm?) nur zu bewundern, so dass ihm die größte Ovation an diesem Vormittag zuteil wurde.

Unbedingt zu erwähnen ist noch die Verleihung der ersten Inge Borkh-Gedächtnis-Medaille an die Mezzosopranistin Diana Haller parallel zu einem leider nicht besuchten Konzert unter dem Titel „Starke Frauen“, in dem die kroatische Sängerin Konzertarien von Haydn, Rossini und eine moderne Erstaufführung von Giovanni Simone Mayr präsentierte.

Außerdem wurden gemäß Vermächtnis von Inge Borkh, die eine treue Besucherin des Festivals war und sich schon lange für den Sängernachwuchs engagierte, für die vorerst nächsten fünf Jahre Stipendien für ausgewählte Teilnehmer der jährlich im Rahmen des Festivals abgehaltenen Akademie Belcanto bekannt gegeben.

Harren wir nun erst mal der Dinge, ob im nächsten Festspielsommer wieder in bewährter Normalität an den bisherigen Spielstätten Leben einkehrt.

 Udo Klebes

 

 

 

 

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