Belcanto Opera Festival in Bad Wildbad: „Eduardo e Cristina” von Rossini (konzertante Aufführung: 21. 7. 2017)
Copyright: Rossini Festival Bad Wildbad
Mit einer besonderen Rarität wartete heuer das Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad auf: „Eduardo e Cristina“, ein Pasticcio, das Gioachino Rossini im Jahr 1819 für das Teatro San Benedetto in Venedig schuf. Innerhalb eines Monats fabrizierte er sein neues Werk, wobei er Teile aus seinen früheren Opern Adelaide di Borgogna, Ricciardo e Zoraide und Ermione verwendete, die allesamt in Venedig noch nicht erklungen waren.
Gioachino Rossini
Welche Begeisterung die neue Rossini-Oper beim venezianischen Publikum weckte, ist der Zeitung Gazetta zu entnehmen, die nach der Premiere von Eduardo e Cristina schrieb: „Es war ein Triumph wie kein anderer in der Geschichte unserer Musikbühnen. Die erste Aufführung fing um 8 Uhr abends an und endete zwei Stunden nach Mitternacht infolge der Begeisterung des Publikums, das die Wiederholung fast aller Nummern verlangte und den Komponisten immer wieder auf die Bühne rief.“
Das Libretto der Oper, das Giovanni Schmidt für ein Werk des Komponisten Stefano Pavesi verfasste, wurde für Rossini von Andrea Leone Tottola und Gherardo Bevilacqua-Aldobrandini überarbeitet. Die Handlung in Kurzfassung: Cristina, die Tochter des schwedischen Königs Carlo, hat sich heimlich mit dem erfolgreichen Feldherrn Eduardo vermählt und haben einen gemeinsamen Sohn namens Gustavo. Als König Carlo seine Tochter dem schottischen Prinzen Giacomo zur Frau geben will, kommt das Geheimnis ans Licht. Er verurteilt Cristina, Eduardo und Gustavo zum Tode. Um sie zu retten, will Giacomo sie dennoch ehelichen, doch lehnt dies Cristina ab. – Als Feinde die Stadt bedrohen, wird Eduardo von seinem Freund Atlei aus dem Gefängnis befreit und an die Spitze der Verteidiger berufen. Nach dem Sieg schwört Eduardo dem König ewige Treue. Carlo vergibt ihm und akzeptiert seine Ehe mit Cristina.
In Bad Wildbad kam es im Jahr 1997 zu einer vielbeachteten Aufführung des Rossini-Pasticcio Eduardo e Cristina, wobei besonders die musikalische Qualität des Werks gewürdigt wurde. Mit ein Grund für die Veranstalter des Rossini-Festivals, diese Qualitäten im Rahmen des heurigen Belcanto-Festivals mit zwei konzertanten Aufführungen in italienischer Sprache (mit deutschen und italienischen Übertiteln von Angelo Raciti) erneut unter Beweis zu stellen.
Für die beiden Titelrollen wurden mit der Mezzosopranistin Laura Polverelli als Eduardo und der Sopranistin Silvia Dalla Benetta als Cristina zwei echte Rossini-Stars aufgeboten, die stimmlich mit großer Brillanz und Innigkeit ihre Partien sangen. Ihre beiden Duette zählten zu den absoluten Höhepunkten des Abends. (Silvia Dalla Benetta ist mir aus der Opéra Royal de Wallonie in Lüttich bestens in Erinnerung, als sie im April 2016 in der Pause der Oper Manon Lescaut von Auber für die plötzlich indisponierte Sumi Jo einsprang und so die Vorstellung rettete!)
Dirigent Gianluigi Gelmetti – zwischen Laura Polverelli und Silvia Dalla Benetta – wurde nach der Aufführung und seiner Auszeichnung mit dem Ehrenpreis Rossini in Cima vom Publikum minutenlang gefeiert (Copyright: Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad)
Für echten Belcanto-Glanz wartete der schwarzamerikanische Tenor Kenneth Tarver als König Carlo auf, der stimmlich ebenso zu begeistern wusste. Auch nach seinen Arien brandeten immer wieder stürmischer Applaus und Bravorufe auf. Ihm ebenbürtig zeigte sich der kasachische Bassbariton Baurzhan Anderzhanov in der Rolle des Giacomo, dessen angenehm weiche Stimme nicht zum ersten Mal in Bad Wildbad erklang. Auch die Rolle von Eduardos Freund Atlei war mit dem chinesischen Tenor Xian Xu erstklassig besetzt.
Bereits seit dem Jahr 2010 ist der Camerata Bach Chor Poznań ständiger Gast beim Rossini-Festival. Er überzeugte wieder durch seine strahlende Stimmkraft (Leitung: Ania Michalak).
Mit der musikalischen Leitung des Orchesters Virtuosi Brunensis wurde der bekannte italienische Dirigent Gianluigi Gelmetti betraut, dem nach der Vorstellung am 21. Juli 2017 für seine Verdienste um das Werk Rossinis eine besondere Ehrung widerfuhr. Er wurde mit dem neugeschaffenen Preis Rossini in Cima (Rossini auf dem Gipfel) ausgezeichnet, was vom Publikum in der Trinkhalle von Bad Wildbad mit frenetischem Beifall begleitet wurde.
Maestro Gianluigi Gelmetti dirigierte zwischen 1982 und 1995 im Rahmen des Rossini-Festivals in Wildbad zahlreiche Opern als Erstaufführungen der Kritischen Ausgabe der Fondazione Rossini, zuletzt 1995 Guillaume Tell. Sein einfühlsames Dirigat stellte er auch bei Eduardo e Cristina unter Beweis: die Virtuosi Brunenses (Leitung: Karel Mitáš) brachten alle musikalischen Feinheiten und Nuancen der ins Ohr gehenden Partitur zum Strahlen.
Minutenlanger, nicht enden wollender Applaus des begeisterten Publikums belohnte alle Mitwirkenden, wobei es für das Sängerensemble, den Chor und vor allem für den Dirigenten immer wieder Bravorufe gab. Dass während der Aufführung ein schweres Gewitter mit heftigem Donner über Bad Wildbad hereinbrach, war eine höchst interessante Untermalung der Natur zur dramatischen Musik der Oper. Es war ein denkwürdiger Abend des Belcanto Opera Festivals 2017.
Udo Pacolt