BAD WILDBAD / Festival Rossini in Wildbad: LA SCALA DI SETA
22.7.2021 (Werner Häußner)
Claudia Urru. Foto: Patrick Pfeiffer
Das Festival Rossini in Wildbad hat’s in diesem Jahr mit den heimlichen Ehen: In Rossinis „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“ verbindet ein verborgenes Eheband den General der Königin und die Tochter ihrer ärgsten politischen Rivalin. Und im heiteren Seitenstück zu dieser großen Produktion hat eine clevere junge Frau längst ihren Vormund ausgetrickst und sich mit einem attraktiven jungen Mann verbandelt. „La Scala di Seta“, die „seidene Leiter“, ist das Medium, mit dem sich die Liebenden zusammenfinden, des Nachts, wenn keiner mehr guckt.
Für diese unbeschwerte Oper aus der Gattung der „Farsa“ hat das Festival zwecks pandemievorbeugender Durchlüftung ein vergessenes Luft- und Sonnenbad wiederentdeckt und die antiquierte Erholungsstätte aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt. Platz ist da für ein paar Stuhlreihen, ein Podium für das Orchesterchen und eine Spielfläche, auf der alle möglichen Bau-Utensilien, Bierkasten inklusive, signalisieren, dass hier gerade kräftig renoviert wird.
Die beiden Flügel der Anlage, verbunden durch einen runden Pavillon, geben Stefania Bonfadelli genug Raum, um ihr Ensemble quirlig durch die Gegend zu schicken. Die Regisseurin, eher als renommierte Sängerin bekannt, nutzt die Reihe der Türen – wohl von ehemaligen Umkleidekammern – geschickt als Elemente der Komödie, die sie damit einem klassischen Boulevardstück annähert. Nicht immer gelingt es ihr, die von ihr selbst beschworene Eleganz des Komischen vor Übertreibung zu bewahren; der Darsteller des tölpelhaften Dieners Germano, Emmanuel Franco, greift allzu kräftig in die Mottenkiste der Komödie und schaufelt ihre überflüssigen Versatzstücke mit riesiger Geste frei.
Spürbar mit Spaß dabei sind alle sechs Protagonisten, unter denen wieder bemerkenswerte Stimmen zu entdecken sind. Claudia Urru muss sich als heimlich verheiratetes Mündel gegen die Heiratspläne ihres Vormundes (bisweilen kräftig polternd: Remy Burnens) ebenso wehren wie gegen die Avancen des großspurigen „Verführers“ Blansac. Eugenio di Lieto singt dessen falsches Pathos und die draufgängerischen Sottisen zunächst mit einer zur Härte neigenden Emission und mit mühsam gebildeter Höhe, später so beweglich wie sonor. Die aus Sardinien stammende Claudia Urru dagegen lässt sich in keinem Moment verführen, ihre feinseidige Stimme zu forcieren oder den diskreten Klang bemüht zu vergrößern. Schwerelos bildet sie die Verzierungen, leicht ansprechend ist der lyrische Ton, dessen Intensität sie zu steigern versteht, ohne die Finesse zu stören. Eine beispielhaft disziplinierte, ästhetisch abgerundete vokale Leistung.
Ähnlich überzeugend präsentiert sich der Tenor Michele Angelini mit dramatischerem, aber entspannt fließendem Ton. Seine Arie im ersten Akt lebt nicht nur von der lebendigen, präzisen Artikulation, sondern auch von einem brillanten Timbre mit einem Klang wie blitzendes Silber. Meagan Sill fühlt sich sichtlich wohl mit der Koketterie der jungen Lucilla, die gerne den Mann hätte, den ihr Vormund ihrer Cousine Giulias andrehen möchte. Mit der Arie „Sento talor nell‘ anima“ hat sie den „Ohrwurm“ der Oper, aus dem sie noch mehr Funken schlagen könnte, wenn sie ihr Vibrato kontrollierter einsetzen würde. José Miguel Pérez-Sierra sorgt mit den Musikern des Philharmonischen Orchesters Krakau für luftig-duftige Beweglichkeit, augenzwinkernde Staccato-Perlage und melodische Frische. Ein rundum gelungenes Sommervergnügen, dem an diesem Abend auch Petrus störungsfrei hold blieb.