Bad Ischl: „DER BETTELSTUDENT“ – Lehár-Festival, 19.7.2024
Corina Koller und Paul Schweinester. Copyright: Lehár-Festival/fotohofer.at
Nachdem das Genre der Wiener Operette an der Wiener Volksoper unter der Direktorin Lotte de Beer kaum noch gepflegt (bzw. nur noch verunstaltet aufgeführt) wird und man in Mörbisch statt Operetten nur noch Musicals spielt, gibt es nicht mehr viele Häuser, an denen man qualitätsvolle Operettenaufführungen erleben kann; den Operettenfans bleiben im Prinzip nur noch das Theater Baden und das Lehár-Festival in Bad Ischl. Im malerischen Kurort im Salzkammergut, in dem Kaiser Franz-Josef I. einst die Sommermonate verbrachte, bietet das Lehár-Festival jedes Jahr zwei szenische Produktionen sowie eine Operettenrarität in halb-szenischer Form.
In diesem Jahr steht Carl Millöckers „Der Bettelstudent“ auf dem Programm des Lehár-Festivals. Das 1882 im Theater an der Wien uraufgeführte Werk zählt zu den beliebtesten Operetten und steht leider schon seit längerer Zeit nicht mehr auf dem Spielplan der Wiener Volksoper. Seit der Regietheaterwahnsinn und die Zerstörungswut der Regisseure auch das Gebiet der Operette ins Visier genommen hat, gehört nun schon viel mehr Mut dazu Operetten in der Zeit zu belassen, in der sie spielen, als gewaltsame Zeit- und Ortswechsel zu erfinden. Nun, soviel Mut hat die Regisseurin Angela Schweiger leider nicht aufgebracht. Sie hat die Handlung der 1704 in dem von den Sachsen besetzten Krakau spielenden Operette in das Jahr 1989, genauer gesagt genau auf den Tag des Berliner Mauerfalls, verlegt. Ein junger Antikommunist (Jan), der das Wort FREIHEIT auf eine hässliche Betonwand sprayt, wird festgenommen, während einem Popsänger (Symon), der Plakate für sein Konzert aufhängt, eine Musikkassette mit Millöckers Operette in die Hände fällt. Er hört diese ihm unbekannte Musik mit dem Walkman an, schläft ein und träumt sich in die Operettenhandlung…
Abgesehen von dieser hanebüchenen Rahmenhandlung, die dazu auch noch historisch falsch ist (das Ende des Kommunismus in Polen fand durch die Streikbewegung der „Solidarność“ unter Lech Wałęsa schon etwas früher statt und trugen die Vorgänge in Polen maßgeblich zum Fall der Berliner Mauer bei), hat die Regisseurin jedoch die wirkliche Handlung der Operette dankenswerterweise in der Zeit des angehenden 18. Jahrhunderts belassen. Somit hat die unnötig erfundene Klammer in das 20. Jahrhundert wenigstens nicht weiter gestört.
Die Haupthandlung fand dann in dem praktikablen Bühnenbild von Markus Olzinger, mit prachtvollen Kostümen von Sven Binseil und mit viel Tempo statt. Dass die Regisseurin sehr wohl was kann, hat sie unter anderem in der großartig gelungenen, wirklich witzigen Bettszene im 2. Akt („Ich setz den Fall“) bewiesen.
Miriam Portmann, Martin Achrainer. Copyright: Lehár-Festival/fotohofer.at
Drei starke Frauenpersönlichkeiten heizten den Männern im Krakau des Jahres 1704 ordentlich ein: Miriam Portmann als verarmte, aber resolute Gräfin Palmatica mit viel Humor, Corina Koller als heißblütige Laura mit aufblühendem Sopran und Loes Cools als deren Schwester Bronislawa.
Paul Schweinester sang mit schmelzreichem Tenor die Titelpartie, der junge Wiener Bariton Christoph Gerhardus machte als Jan gute Figur (schön, dass es im Bereich der Operette guten Sängernachwuchs auch aus Österreich gibt) und mit Martin Achrainer war die Partie des Oberst Ollendorf wohl etwas ungewöhnlich besetzt. Ganz im Gegenteil zu der üblichen Buffotradition hat er einen noch eher jungen, in Liebesangelegenheiten vielleicht etwas ungeübten, aber keineswegs vertrottelten Offizier dargestellt. Außerdem war es wirklich erfreulich diese Partie einmal von einem Sänger zu hören, der noch im Vollbesitz seiner Stimme ist.
Auch die übrigen Mitwirkenden, der Chor des Lehár Festivals Bad Ischl und auch das Tanzensemble hatten ihren Anteil am Erfolg dieser Aufführung. Marius Burkert, seit 2004 Chefdirigent des Lehár Festivals und seit 2007 erster Kapellmeister an der Oper Graz, stand am Pult des sauber aufspielenden Franz-Lehár-Orchesters und sorgte für eine schwungvolle musikalische Wiedergabe der vielen unsterblichen Melodien Carl Millöckers.
Fazit: Dem Lehár Festival ist damit (abgesehen von der unnötigen und entbehrlichen Rahmenhandlung) eine exzellente Aufführung gelungen.
Walter Nowotny