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BAD ISCHL/Lehár-Festival: DAS MÄRCHEN IM GRAND HOTEL von Paul Abraham

22.07.2024 | Operette/Musical

Bad Ischl: „MÄRCHEN IM GRAND HOTEL“ –   Lehár-Festival, 20.7.2024

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Maximilian Mayer und Julia Koci. Foto: fotohofer

Die Lebensgeschichte von Paul Abraham zählt zu den traurigsten Komponistenbiographien.  Er wurde am 2. November 1892 in der donauschwäbischen, deutschsprachigen Gemeinde Apatin in der Batschka (damals Österreich-Ungarn, heute Serbien) als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Paul Abraham studierte in Budapest an der dortigen Musikakademie und wurde nach diversen Jobs im Musikbusiness Kapellmeister am Budapester Operettentheater. Nachdem er für einen deutschen Kinofilm einen erfolgreichen Song für Willy Fritsch komponiert hatte, übersiedelte er nach Berlin. Dort brachte er seine bereits 1930 in Budapest uraufgeführte Operette „Viktória“ unter dem neuen Titel „Viktoria und ihr Husar“ heraus. Dem Riesenerfolg folgten zwei weitere Kassenschlager: „Die Blume von Hawaii“ und „Ball im Savoy“. Durch seine modernen Kompositionen, in denen er traditionelle Elemente mit jazzigen Rhythmen kombinierte, galt er als der Erneuerer des Genres Operette. Gleichzeitig steuerte er die Musik zu zahlreichen Filmen bei. 1933 endete dieser Höhenflug jäh durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Paul Abraham ging zurück nach Budapest; seine Musik galt als „entartet“ und wurde in Deutschland verboten. In Wien konnte er dann noch die Operetten „Märchen im Grand Hotel“, „Dschainah“ und „Roxy und ihr Wunderteam“ herausbringen. 1940 flüchtete er dann ohne seine Ehefrau nach Paris. und dann über Kuba nach New York, wo er aber beruflich nicht mehr Fuß fassen konnte. Er erkrankte an einer syphilitischen Gehirnentzündung und musste in einem Heim untergebracht werden. 1956 wurde er von Freunden nach Deutschland zurückgeholt, wo er erstmals seit seiner Flucht seine damals in Budapest zurückgebliebene Ehefrau wieder traf. Er wurde zunächst in der Psychiatrie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf behandelt. Danach lebte er noch knapp vier Jahre mit seiner Ehefrau zusammen. 1960 starb er nach einer schweren Krebserkrankung und wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt. Bis zu seinem Tode war Paul Abraham weiter der Überzeugung, in New York zu leben und bald wieder einen großen Kompositionserfolg landen zu können.

Seit 2013 erleben die Operetten Paul Abrahams in Deutschland eine Renaissance. In der Folge einer Inszenierung von „Ball in Savoy“ an der Komischen Oper Berlin, die vom Intendanten Barrie Kosky selbst besorgt wurde, fanden an deutschen Bühnen vermehrt Inszenierungen von Paul-Abraham-Operetten statt. Die Operette „Märchen im Grand Hotel“ erklang 2017 in der Komischen Oper Berlin als konzertante Aufführung erstmals in Deutschland. Am Staatstheater Mainz wurde diese Operette dann 2018 auch erstmals in Deutschland szenisch aufgeführt. Weitere Inszenierungen folgten 2019 an der Staatsoper Hannover und am Staatstheater Meiningen, 2021 am Staatstheater Nürnberg. Mit dieser Aufführung in Bad Ischl war das Werk nun endlich auch wieder in Österreich zu sehen.

Basis und Voraussetzung für diese Renaissance sind die Rekonstruktionen der Partituren der Abraham-Operetten durch Henning Hagedorn und Matthias Grimminger. Nach der Wiederentdeckung der verloren geglaubten Originalpartituren eines Großteils der Operetten erarbeiteten Hagedorn und Grimminger Notenausgaben mit dem Ziel, das für die Entstehungszeit der Operetten typische Klang- und Aufführungserlebnis mit den Mitteln eines heutigen Theaterorchesters wieder erlebbar zu machen. Die Hagedorn-Grimminger Rekonstruktion der Partitur von „Märchen im Grand Hotel“ wurde für das Lehár-Festival vom Dirigenten der Aufführung, Christoph Huber, eingerichtet.  

Die Handlung der Operette basiert auf einer französischen Boulevardkomödie. Das Libretto stammt von Alfred Grünwald (1884-1951) und Fritz Löhner-Beda (1883-1942). Die Uraufführung des Stücks fand am 29. März 1934 im Theater an der Wien statt. Die Handlung des Werks ist sehr banal: Marylou, die Tochter eines Filmproduzenten in Hollywood, will die bankrotte Filmfirma ihres Vaters retten. Sie reist nach Cannes, beobachtet das Treiben der Reichen und Schönen an der Côte d’Azur und engagiert die spanische Infantin Isabella, die dort im Exil lebt, und ihren aus einer österreichischen Adelsfamilie stammenden Bräutigam nach Hollywood. Dazu kommt noch ein Kellner, der in die Infantin verliebt ist, und schließlich verliebt sich auch noch der österreichische Adelsspross in die Tochter des Filmmagnaten. Zweifaches Happy-End garantiert. Musikalisch ist das Werk äußerst vielfältig und spiegelt den modernen Musikgeschmack seiner Zeit wider. Zusätzlich zum Walzer sorgen Foxtrotts und Tangos sowie weitere Jazzelemente für Farbe und erinnern in Klang und Orchestrierung sogar an den Stil von George Gershwin.

Der Intendant des Lehár-Festivals, Thomas Enzinger hat selbst Regie geführt und tat dies mit viel Humor. So gelacht hat man schon lange nicht mehr in einer Operettenaufführung. Das fängt schon damit an, dass noch vor Beginn der Aufführung Hektik im Filmstudio in Hollywood herrscht, wo sich allerlei bekannte Figuren von Mickey Mouse bis King Kong  und Charlie Chaplin herumtreiben. Lustige Durchsagen („Die Dreharbeiten beginne 15 Minuten später, Clark Gable wurde vom Winde verweht!“ oder „Neue Hauptdarstellerin für ‚Leoparden küsst man nicht‘ gesucht. Die ursprüngliche Besetzung hat den Filmtitel nicht ernst genommen.“) sorgten beim Publikum, das schon Platz genommen hatte, bereits für die ersten Lacher. Und dann musste sich Thomas Enzinger selbst einem Intendanten-Hearing stellen. Schön, dass der Chef mit so viel Humor selbst dabei ist. Das Bühnenbild von Markus Olzinger war praktikabel und hat mit wenigen Versatzstücken den jeweiligen Schauplatz stimmungsvoll ausgestattet. Die glitzernden Kostüme von Sven Bindseil, die rasante Choreographie von Evamaria Mayer und die umwerfende Stepp-Choreographie von Marie-Christin Zeisset bildeten mit der sehr präzisen Personenführung die Grundlage für eine großartige Inszenierung.

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Oliver Severin und Susanna Hirschler. Foto: fotohofer

Julia Koci war mit warmem Sopran und majestätischem Auftreten eine ideale Infantin Isabella, Maximilian Mayer, nicht weniger nobel im Spiel, mit hellem Tenor ein überzeugender Prinz Andreas Stephan, Nina Weiß eine munter über die Bühne steppende Marylou und Oliver Severin ein charmanter, aber unglücklich verliebter Zimmerkellner Albert. Ein Ereignis: Susanna Hirschler. War sie schon als Filmregisseur eine Wucht, aber als Hoteldirektorin Matard war sie einfach umwerfend.  Sehr komisch auch Walter Sachers als Gräfin Inez de Ramirez.  Sebastian A.M. Brummer als Sam Makintosh und als Präsident Chamoix sowie Nicolas Lugstein als Sekretär Barry ergänzten diese ausgezeichnete Besetzung.

Das Tanzensemble war an diesem Abend noch mehr gefordert als am Vorabend und auch der Chor des Lehár Festivals Bad Ischl hatte berechtigten Anteil am Erfolg des Abends. Christoph Huber am Pult des Franz Lehár-Orchesters sorgte für eine schwungvolle Wiedergabe der großartig instrumentierten Komposition Paul Abrahams.

Und selbst der Schlussapplaus war herrlich inszeniert: als Kampf um den Oscar!

Der lautstarke Jubel wollte kein Ende nehmen. Eine sensationelle Aufführung!

 Walter Nowotny

P.S: Im Foyer sollte man sich vor den Vorstellungen (oder in den Pausen) eine von der Historikerin Marie-Theres Arnbom liebevoll gestaltete Ausstellung unter dem Titel „Immer nur lächeln…“ über das Schicksal der großen jüdischen Librettisten ansehen. Man erfährt u.a. viel über den in Auschwitz ermordeten Fritz Löhner-Beda und über Alfred Grünwald, dem zwar mit seiner Familie rechtzeitig die Flucht nach Amerika gelang, der aber dort an seine künstlerischen Erfolge nicht mehr anschließen konnte.

 

 

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