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BAD ISCHL Kongress & TheaterHaus: EINE NACHT IN VENEDIG – Wienerisch-Beschwingtes zum 200. Geburtstag von Johann Strauss;

24.08.2025 | Operette/Musical/Show

BAD ISCHL Kongress & TheaterHaus: EINE NACHT IN VENEDIG – Wienerisch-Beschwingtes zum 200. Geburtstag von Johann Strauss; 23.8.2025

Venezianische Maskerade am Donaukanal

nacht
Copyright: fotohofer

Da steht er nun, der arme Tropf: Senator Bartolomeo Delaqua (köstlich Erich Langwieser als lorbeergekrönter Faschingsnarr in der Rolle des gehörnten Ehemanns) lädt seinen feschen Neffen Enrico Piselli (Nikola Basta in der kleinen Rolle des auch vor der angeheirateten Tante erotisch nicht zurückschreckenden Tunichtguts) freimütig ins Haus, denn der hätte ja seine nicht zimperliche Gattin Barbara (Ena Topčibašić) vor den unzüchtigen Avancen des Herzogs von Urbino bewahrt. Letzterer, ausgewiesener Frauenheld, wiederum hat es auf Barbara abgesehen, die er im Jahr zuvor maskiert als Ninana kennengelernt und seither auf sie all sein Begehren gerichtet hat. 

Das passt aber naturgemäß weder dem schwerfälligen Delaqua und noch weniger den beiden Buffopaaren Annina und Caramello (quirlig komisch mit herrliche lyrischem Sopran Tina Jaeger in der Rolle des Fischermädchens, Yichi Xu wirkt als Barbier ein wenig schwerfällig) bzw. Ciboletta und Pappacoda (hinreißend koloraturselig und kess-gewitzt Marieluise Engel-Schottleitner, Roman Martin gibt einen gerissenen buffotenoralen Makkaronimacker. Denn der Herzog (spielfreudig und stimmschmachtend Matjaž Stopinšek) ist nicht nur ein Hallodri vor dem Herrn, sondern hat auch den gut dotierten Posten eines Verwalters zu vergeben. Und den will sich der Barbier mithilfe seiner süßen Annina holen, das Zoferl Ciboletta wiederum hat es auf die Stelle des herzoglichen Chefkochs für ihren windigen Pastalover abgesehen. Die ersehnten Hochzeiten wollen schließlich finanziert sein. Als i-Tüpfelchen der Umtriebigkeiten darf Miriam Portmann in einer fetischskurrilen Coupletnummer als herrlich übersteuerte, matronenhafte Witwe dem Herzog auch mal das sexuelle Fürchten lehren.

Der Wiener Regisseur und Sänger Wolfgang Dosch hat das einzig Richtige getan: Die unübersichtliche Geschichte des scheinbar unendlich im Reigen sich drehenden Qui pro Quo von Friedrich Zell und Richard Genée im romantisch schönen Bildern in sattem Mitternachtsblau (Stefan Wiel) und farbenprächtigen wie üppigen, meist aus dem Fundus geholten Kostümen (Sven Bindseil) im Sinne dessen, was eine komische Operette auszeichnet, zu erzählen: Als flotte Masken- und Rollentauschfarce und irisierendes erotisches Vexierspiel auf die kleine Bühne zu bringen. Der Bühnenraum ist dabei geschickt um die Seitenränder als auch einen Laufsteg rund um das Orchester erweitert. 

In dieser einen Nacht der Masken samt wildester Identitätsirrungen und -wirrungen sind alle Regeln von Moral und Anstand Makulatur. Da werden hinterhältig Rachemesser gewetzt und Eifersuchtsdramen beschworen, die strengen sozialen Hierarchien von oben nach unten gekehrt und durch die lockeren, bisweilen nicht weniger brutalen Kriterien von begehrlicher Anziehung und Abstoßung ersetzt. 

Natürlich liegt dieses vom Karneval berauschte Venedig des 18. Jahrhunderts musikalisch dreivierteltaktig an der blauen Donau. 

Dosch hält nichts von vordergründigen Aktualisierungen und lässt die morbide Story in einem Land der Illusionen wie am sprichwörtlichen Schnürl schnurren und surren. Ihn interessieren die Leichtigkeit des Scheins, atmosphärische Traumlandschaften sowie dramaturgisch fantastische Konstellationen für das Vortäuschen, Sich-Verbergen und ‚Hinter die Maske‘-Sehenwollen. Diejenigen, die heute sich bezirzen und flötend dazu zirpen, brechen morgen schon wieder zu anderen Ufern auf. All das, was heute flüchtig die Sinne betört, kann morgen schon alter Schnee von gestern sein. 

Tänzerisch beschwingt dreht sich in der in 1883 Berlin uraufgeführten „Nacht von Venedig“ alles im Walzer. Loslassen von aller Bedeutungsschwere und sich dem genial exzentrisch-eiernden Dreiertakt hinzugeben, mit der schwebenden Leichtigkeit eines Cupido taillenumschlungen in Schwindel zu verfallen, ist die Devise. 

Dirigent Christoph Huber, seit einigen Jahren 2. Kapellmeister & Chordirektor am Stadttheater Baden, weiß um die ambivalenten Geheimnisse und das Fluidum der Musik des Johann Strauss. Das Publikum darf sich diesen süßen, sentimentalen und das Leben feiernden Klängen hingeben, die Doppelbödigkeit genießen oder sich einfach von Ballett (Choreografie Lukas Ruziczka und Katharina Glas), Chor (Matthias Schoberwalter) und dem von Dosch zu komödiantischer Spritzigkeit animierten Ensemble sommerlich unterhalten lassen. Komm in die Gondel! Alles frutti di Mare!

Und wem es im ausverkauften Haus gefallen hat, der wird vielleicht auch nächstes Jahr wieder dabei sein wollen. 2026 wird vom 11. Juli bis zum 30. August außer  „Boccaccio“ von Franz von Suppé und „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kalman mit „Der Göttergatte“ wieder eine Lehar-Rarität zu entdecken sein.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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