21.07.2024 Operettenfestspiele Bad Hall : „DAS LAND DES LÄCHELNS“
Der unverwüstliche Franz Suhrada als Obereunuch. Foto: Operettenfestspiele Bad Hall
Nachdem die landauf, landab als „Operetten-Mekkas“ gepriesenen Spielstätten in Mörbisch – via politischer Entscheidung pro Musical – nicht mehr existent, und Baden, wo auch immer mehr auf regieliche „Experimente“ gesetzt, an Attraktivität für den Freund der Operette immer weniger Rücksicht genommen wird, pilgerte ich in die im oberösterreichischen Traunviertel gelegene kleine Stadt Bad Hall.
Das Haus im Herzen der Stadt ist über hundert Jahre alt und wurde 2017/2018 grundlegend saniert, umgebaut – weist eine moderne und trotzdem einnehmende Fassade auf , ist bequem neu bestuhlt und herrlich klimatisiert. Und das Phantastische: es wird ganzjährig bespielt – Sprechtheater, Kabarett , Musical, Oper etc. finden sich an über 70 Abenden im Jahr. 470 Plätze faßt das auch technisch auf neuestem Stand befindliche Haus, das von der Stadt betrieben wird, die gerade mal knapp 5.000 Einwohner aufweist – aber natürlich auch als Kurbad gefragt ist! Ein erstes Bravo der Gemeindepolitik, die – natürlich mit Hilfe des Landes – einen gewaltigen Beitrag für die Kultur stemmen musste! Großartig, daß es so etwas heute noch gibt!
Für die Operettenfestspiele, existent seit 1987 , ist Thomas Kerbl, selbst Dirigent, Pianist und Dekan an der Bruckner Universität offenbar der „Richtige“ – zumindest nach dieser Produktion zu schliessen! Er führte auch Regie und da fiel zuerst auf, daß das Personal in Peking rein aus asiatischen Sängern aufgestellt war: das hatte ich noch nie gesehen, aber es passte vorzüglich! Welch Wohltat eine solche Herangehensweise, in einer Zeit wo man sich infolge einer immer mehr um sich greifenden Hysterie um „Rassengleichheit“ unsinnigerweise mit weißen Aidas, Amonasros und speziell Otellos ärgern muss! Das unglaublich stimmungsvolle und praktikable Bühnenbild von Gottfried Angerer – ein genialer, einfacher Umbau bei offener Bühne ermöglicht den Tapetenwechsel von Wien nach Peking – ließ Grundlagen der chinesischen Kultur einfließen, zeitgleich gibt es eine begleitende Ausstellung „Chinesische Kunst – Das wandernde Herz“ im Stadttheater zu besichtigen! Schöner und wertschätzender kann man mit einer fremden Kultur wohl nicht umgehen. Die wunderschönen Kostüme (Susanne Kerbl) tragen das ihre zur völlig librettogerechten Stimmung bei, in der der Regisseur die letzlich tragische und streckenweise sehr opernhaft komponierte Geschichte des Puccini-Verehrers Franz Lehar ablaufen läßt. Sehr exakt gearbeitet, mit dem nötigen Schuß Humor – und auch ein wenig Lokalkolorit fließt ein, bei „Sticheleien“ gegen die Nachbargemeinde Adlwang. Die einzige Abänderung zum Libretto nimmt man speziell auch wegen dem unverwüstlichen Franz Suhrada in Kauf – zu Unrecht primär immer noch mit dem „Kieberer“ aus den legendären „Kottan“- Krimis konnexiert ist er ein Charakterdarsteller und Komiker im Stile der großen Alten! Er ist hier der Diener Franz im Hause Lichtenfels, der Lisa nach Peking begleitet – im Einverständnis mit Sou Chong – und dort in die Rolle des Obereunuchen schlüpft – was das Vergnügen erhöht und einige köstliche Szenen beschert! Der böse Onkel Tschang ist mit dem mächtig baßbaritonal dröhnenden Gregorio Changhyun Yun besetzt, der auch paar chinesische Worte ins Geschehen einfliessen lässt und als Typ sehr gut gewählt ist. Dasselbe läßt sich auch von Mi in der zierlichen Gestalt von Amane Machida mit kleinem aber feinem Sopran sagen. Ihr Gustl Domen Fajfar konnte sowohl als großgewachsener Offizier , als auch mit einem ansprechenden Tenor punkten. Natürlich steht und fällt dieses Werk mit dem „großen Paar“, meist besonders mit dem Prinzen Sou Chong, den hier Mario Xiaoke Hu darstellte. Interessant, daß er sowohl stimmlich als auch darstellerisch in seinen „Pekinger Heimatakten“ zwei und drei weit besser zur Geltung kam, als im Wiener Salon ( wo man übrigens im Hintergrund draussen eine stimmungsvolle Wien Silhouette mit dem Riesenrad bewundern konnte). Da war die Stimme über Strecken zu eng geführt, saß hinten, entwickelte nur stellenweise Glanz. Den bekommt der junge Mann mit imposantem Material wenn er „aufdreht“, loslegt und die Höhe strahlen lässt! In den dramatischen Passagen war er weit überzeugender und „Dein ist mein ganzes Herz“, das er „draufgängerischer“ anging, gelang vorzüglich. Als Ministerpräsident in seiner Heimat, war er dann auch als Persönlichkeit überzeugend – insgesamt eine sehr positive Leistung.
Katharina Linhard (Lisa). Foto: Operettenfestspiele Bad Hall
Den Vogel abgeschossen hat aber Katharina Linhard als Lisa. Sie betritt die Bühne – und ist „da“: optisch und vokal präsent von der ersten bis zur letzten Minute! Der jungen aus Gosau stammenden Oberösterreicherin glaubt man kaum, daß sie erst die dritte Lisa singt – schon mit ihrem Auftrittslied begeistert sie. Ihr interessant timbrierter Sopran spricht in jeder Lage perfekt an, sie differenziert und singt raffinierte Phrasen, gleich überzeugend im klingenden Piano oder in der dramatischen Attacke – in der Auseinandersetzung mit Sou Chong oder etwa in dem der Geschichte die entscheidende Wendung gebenden „Alles vorbei“ – wo sofort das sehnsüchtige, sehrende „Ich möcht` wieder einmal die Heimat seh`n „ folgt. Ihr Auftreten und Spiel ist derart souverän und bis in die Mimik überzeugend, dabei von einer Natürlichkeit: im Stile großer Bühnenpersönlichkeiten. Brava! Nur weiter so, da müßten sich größere Möglichkeiten auftun…!
Ja, und auf erstaunlich hohem Niveau agierte das vornehmlich junge, zum Großteil aus Musikern der Umgebung zusammengestellte Orchéster : exzellente Lehar Klänge ohne nur kleinste Patzer, ein Sonderlob! Souveräner Leiter des Nachmittags war Walter Rescheneder am Pult: ein nicht mehr junger, aber jugendliches Operettenfeuer entfachender Dirigent, wie man es sich wünscht!
Gerald Gidenbacher war ein charmanter Graf Lichtenfels, die Damen und Herren des – wenn ich richtig zählen konnte – 12 köpfigen Chores, die quasi alle kleine Solopartien, zwei davon noch mit tänzerischen Aufgaben bedacht, absolvierten waren mit großer Spielfreude und Können bei der Sache!
Es war bereits die sechste von 12 Vorstellungen und randvoll, speziell hörbar auch mit überwiegend Besuchern aus der Region, die – zu Recht – begeistert reagierten. Weiters für mich beeindruckend: von den 43 genannten Musikern , die natürlich alternierend spielen, sie würden zusammen nicht in den kleinen Graben passen : bis auf einen italienischen und einen slowenisch/ kroatisch/serbisch klingenden, lauter deutsche Namen: offenbar alles Einheimische! Wo findet man das heute noch? Gratulation an Bad Hall, und seinen Intendanten: hier wird mustergültig vorgeführt wie für die Region kulturelle Arbeit geleistet wird- vornehmlich durch Künstler aus der Region, aber auch mit Freunden von ganz weit her. So stimmt die Chemie! Meine Empfehlung: Bad Hall auf Ihr musikalisches Radar nehmen und besuchen!
Michael Tanzler