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AUGSBURG/ Stadttheater: ARIADNE AUF NAXOS . Premiere

01.10.2019 | Oper

Augsburg – Staatstheater: „ARIADNE AUF NAXOS“ von Richard Strauss

Premiere am 29.09.2019

 Der Strauss-Experte Ernst Krause schrieb vor Jahren nicht von ungefähr: „Ariadne“ steht und fällt mit schönen Stimmen; und das ist schade bei so hohen musikalische Qualitäten. Beides vorausgesetzt, ist das Problem des Werkes damit allerdings noch nicht bewältigt, es gilt auch, die „schönen Stimmen“ in den Dienst der „hohen musikalischen Qualitäten“ zu stellen und dabei die szenischen Anforderungen nicht zu vernachlässigen; schnell wird das Werk unver-ständlich, dann zeigen sich Längen, die in Wahrheit keine sind (wegen der musikalischen Qualitäten) – mit einem Wort: es ist ein schweres, schwer zu interpretierendes Werk. Und im eigentlichen Sinne kein Werk für einen Behelfstheaterraum, mit dem Augsburg in einer Fabrikhalle des Martiniparks derzeit immernoch auskommen muss. Umso erfreulicher ist es, dass von einer erfolgreichen Premiere zur Spielzeiteröffnung zu berichten ist, bei der es nicht nur – wenn auch mit Differenzierungen – „schöne Stimmen“ gab, bei der die „hohen musikalischen Qualitäten“ weitgehend zum Tragen kamen und die im szenischen Gesamt-eindruck alles war – nur nie langweilig. Das, finde ich, ist doch eine ganze Menge!

Getragen wird der Abend natürlich von den sehr differenziert und homogen musizierenden Augsburger Philharmonikern unter der Leitung ihres GMD DomonkosHéja, die im Laufe der vergangenen beiden Spielzeiten nun schon über große Erfahrungen mit dem akustisch problematischen Saal verfügen und denen es gelungen ist, die besonderen Anforderungen, die Strauss nun einmal stellt (auch wenn es sich hier um ein vergleichsweise „kleines“ Orchester-aufgebot handelt) nicht nur zu erfüllen, sondern das besondere Klangidiom dieser Musik in eben diesem Raum geradezu aufblühen zu lassen, ohne jemals die Sänger in Schwierigkeiten zu bringen. Geradezu kammermusikalisch begleitet Héja diese, deckt nirgendwo zu, lässt die einzelnen Instrumente zur vollen Wirkung kommen und steigert diesen Klang dort, wo es geboten ist zu nahezu rauschhaftem Genuss. Eine sehr beachtliche Leistung, ein „Herd“, der dem Ganzen ein sicheres Fundament gibt. Bravo!

Dass Augsburg gute Sängerinnen und Sänger hat, durfte ich hier schon oft feststellen; wenn in diesem Falle dennoch Differenzierungen notwendig sind, hat es zunächst etwas mit den komplexen Anforderungen zu tun, die Richard Strauss, der „Stimmfetischist“, seinen Prota-gonisten zumutet und darüber hinaus mit Anmerkungen, die für einige – in diesem Falle besonders – Sängerinnen, vielleicht zum Besinnen Anlass sein könnten. Mal abgesehen von den Hauptpartien, auf die ich noch zu sprechen komme, bleibt der generelle Eindruck, dass zum Beispiel das Komödiantenquartettin Zerbinettas Umfeld: Torsten Hofmann a. G. als sehr deutlich artikulierender Brighella (der im Vorspiel ebenso einen einprägsamen Tanz-meister verkörpert), Wiard Withold als stimmschöner und hochmusikalischer Harlekin, mit überschäumender Spielfreude ausgestattet, Roman Poboinyi als auftrumpfender und stets mit Präzision und Schmelz singender Scaramuccio sowie Stanislav Sergeev als fundamentaler Bass mit dem Truffaldindas Ganze zuverlässig stützend, eine geradezu grandiose Truppe darstellt, die sich mit ihrer vorbildlich aufeinander abgestimmter Güte und dem harmonierenden Wohlklang ihrer Ensembles als kleines Kabinettstückchen erweist.

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(v. l. n. r.:) Torsten Hofmann (Brighella), Olena Sloia (Zerbinetta), Wiard Witholt (Harlekin), Stanislav Sergeev (Truffaldin) und Roman Poboinyi (Scaramuccio) – Foto: Jens Peter Fuhr

Gleiches kann ich den Damen in Ariadnes Umfeld – Lea-ann Dunbar a. G. (Najade), Jihyun Cecilia Lee (Echo) und Kate Allen (Dryade) – leider nicht bescheinigen: Hier wett-eiferten Stimmen miteinander, die wenig zusammen passten, wohl auch nicht ausreichend aufeinander Rücksicht nahmen und namentlich die berühmte – an Wagners RHEINGOLDerinnernde – Stelle „Wie der Wellen sanftes Gaukeln…“  hatte weder Homogenität noch Wohlklang. Mir schien, jede einzelne wollte beweisen, dass sie „unterbesetzt“ ist, das sie stimmlichen Höchststand anstreben müsste (übrigens auch in der Lautstärke– Strauss schreibt dieses Ensemble in pp bis ppp– davon konnte keine Rede sein!) was dem Ganzen leider rechtabträglich war.Möglicherweise hatten ihre Masken (als Made, Raupe und Tintenfisch) insofern schuld, als sie das aufeinander hören erschweren mochten (falls das so ist, müsste ein professionelles Theater Abhilfe schaffen!), dennoch bleibt die Unausgeglichenheit und speziell auch die Sprödigkeit in den hohen Lagen in unschöner Erinnerung. Ensemblesingen ist als „Gesangswettbewerb“ ungeeignet.

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Der Komponist des Vorspiels (der in der Oper eigentlich nichts mehr zu suchen hat!) mit Najade, Dryade und Echo  –  Foto: Jens Peter Fuhr

 

Die hohe Schule des Strauss-Gesanges vermittelte einmal mehr und alleinSally du Randt in der Titelpartie der Ariadne: so muss das klingen bei Richard Strauss – frei sich in allen Lagen entfaltend, mit Melos und Glanz, mit einem Höchstmaß an Artikulation und mit bewundernswerten Legatobögen, frei von „Drückern“, voll von menschlicher Wärme. Dazu eine stimmliche Differenzierung, eine Beachtung auch der kleinsten dynamischen Schattierungen – eine grandiose und vorbildliche Leistung. Bravo!

In Jacques le Roux hatte sieals Bacchus einen Tenor-Partner, der mit Kraft und Verve überraschte, allerdings eine Stimme, der es an Feinschliff noch etwas fehlt. Aber ein recht positiver Zugang im Augsburger Ensemble. Für die Zerbinetta hat Olena Sloia die richtige Figur und sehr gute stimmliche Voraussetzungen. Sie wird noch daran arbeiten müssen, die enormen Anforderungen der Partie besser zu dosieren – weniger ist da oft mehr. Sie hat die Höhe, allerdings wirkt es zu sehr aufgesetzt, leider neigt sie zum Sforzieren – was sie nicht nötig hat und nur zu Lasten der Intonation geht.

Die problematischste Besetzung war für mich Natalya Boevaals Komponist. Auch sie suchte unbedingt den „großen Ton“, der aber in diesem Falle nicht hilfreich ist und vor allem zu Lasten der Textverständlichkeit geht, gern hätte ich wenigstens fallweise verstanden, was sie singt. Auch kommt man den Höhenanforderungen dieser Sopran-Partie mit schlankem Tonansatz viel näher!  (Strauss schreibt sowohl in der Partitur als auch im Klavierauszug einen „Sopran“ vor und eine der besten Vertreterinnen der Rolle war die unvergessene Sopranistin Irmgard Seefried!)  Weshalb die Mezzosopranistinnen bzw. Altistinnen diese Partie für sich reklamieren, bleibt mir rätselhaft – nur die Nähe zu Mozarts Cherubino und Strauss‘ Octavian kann es doch nicht sein, abgesehen davon, dass auch diese beiden jungen Herren sich durchaus in einer Sopran-Kehle wohlfühlen!

Ein absoluter Aktivposten im Ensemble ist Alejandro Marco-Buhrmester, der den Musik-lehrer mit profunder Stimme und großer darstellerischen Kompetenz zum Aktivposten des Vorspiels macht. Erik Völknergab einen überzeugenden Haushofmeister und László Papp rundete als Lakai und Perückenmacher das spielfreudige Ensemble zuverlässig ab.

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Schlussszene mit Jacques le Roux als Bacchus und Sally du Randt als Ariadne – die Dame im Vordergrund ist der Komponist des Vorspiels, der an dieser Stelle der Oper eigentlich nichts zu suchen hat.  – Foto: Jens Peter Fuhr

Dirk Schmeding griff für seine Inszenierung (Bühne: Martina Segna, Kostüme: Valentin Köhler) die Gegebenheiten der Fabrikhalle auf und brachte das Stück ins Hier und Heute. Dabei ist es ihm gelungen, an vielen Stellen Turbulenz und szenische Abwechslung herzu-stellen, die in konventionellen Aufführungen oft in Langeweile versanden. Insofern möchte ich ihm bescheinigen, dass seine Entscheidung richtig war. Sie geriet leider immer dort an Grenzen, wo sie der Musik misstraute – und das bezieht sich vorwiegend auf die Rolle des Komponisten, die nun wirklich im zweiten Teil, also der Oper, nichts zu suchen hat. (Dass der GMD die vordergründige „Störung“ zu Beginn der Ouvertüre ebenso gelassen hinnahm, wie das Schnarren des Roll-Vorhangs vor Beginn des Vorspiels zeigt deutlich, wie weit und widerstandslos die Dirigenten den Regisseuren das Feld bereits geräumt haben…!) Dass sich die Optik eines Werkes im Laufe der Zeit ändert, ist nicht das Problem, im Gegenteil: dass der „reichste Mann von Wien“ Kunst als Ware sieht und diese Ware einschließlich der Protagonisten in Transportkisten anliefern lässt, verdeutlichte die Situation in durchaus gelungener Weise und nahm gleichzeitig das Drumherum des Martiniparks in gekonnter Weise auf.  Aber dass die Musik der Ästhetik des Äußeren diametral entgegen läuft, wenn der Komponist des Vorspiels den Bacchus in Flüchtlingsweste und mit einem hässlichen weißen Schlauchbot der Ariadne förmlich vor die Füße wirft, damit eine Flüchtlingssituation assoziiert, die nun wirklich mit diesem Werk nicht das Geringste zu tun hat, bleibt für mich ein existentielles Problem der Gattung.

Trotz – oder gerade weil es ein amüsanter Abend war.

Werner P. Seiferth

 

 

 

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