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AUGSBURG/ Rotes Tor: OPER UNTERM STERNENHIMMEL – Konzertgala am Roten Tor

21.07.2021 | Konzert/Liederabende

Augsburg: OPER UNTERM STERNENHIMMEL – Konzertgala am Roten Tor

Premiere am 20. Juli 2021

Staatstheater Augsburg: Augsburger Philharmoniker bringen großes Opern-Spektakel  auf die Freilichtbühne | Augsburger Allgemeine
Sally du Randt als Desdemona. Foto: Jan-Pieter Fuhr

Vom doppelten Pech gebeutelt startete das Staatstheater Augsburg in die „neue Ära“: über ein Jahr lang wurde es, wie alle Kultureinrichtungen, durch Corona ausgebremst und als es endlich wieder losgehen sollte und durfte, verhinderte Starkregen und Gewitter die ursprünglich für 24. Juni geplante Premiere; erst einen Monat später, am 20. Juli konnte sie nun tatsächlich stattfinden – herbeigesehnt nicht nur von allen Ausführenden, sondern ganz besonders vom Augsburger Publikum, das begeistert zur Freilichtbühne am Roten Tor strömte. Und auch wenn gegenwärtige Beschränkungen die hundertprozentige Auslastung der Zuschauerplätze noch nicht zulassen, so durfte doch endlich wieder ein großes Orchester und ein vollzähliger Chor vor immerhin stark vertretenem Publikum auftreten und musizieren. Das war der wesentlichste Erfolg des Abends – er wurde dementsprechend von allen Seiten genossen und ausdrücklich begrüßt, völlig zu Recht!

Und Augsburg konnte einmal mehr mit seinen Pfunden wuchern: einem leistungsfähigen Solisten-Ensemble, einem kompetenten Chor und den stets mit Präzision und Klangfülle aufwartenden Augsburger Philharmonikern. Ihnen allen ist ein Abend zu danken, der nicht nur das Publikum erfreute, sondern allein durch seine musikalische Vielfalt und die individuelle Qualität aller Solisten einmal mehr bewies, dass die Augsburger Opernbasis auf sicheren Fundamenten ruht. Sie gilt es zu bebauen, allen Widrigkeiten der gegenwärtigen Raumsituation zum Trotz. (Dass der in einer Moderation fast nebensächlich erwähnte Wiedereinzug ins „Große Haus am Kennedyplatz“ mit einem angesäuertem Schmunzeln des Publikums quittiert wurde, spricht Bände…! Über die Unzulänglichkeiten des Interims Martinipark habe ich an dieser Stelle oft genug berichten müssen.)

Domonkos Heja, Augsburgs vielseitiger Generalmusikdirektor, setzte folgerichtig bei der Programmauswahl auf Werke, die Augsburg sich gegenwärtig versagen muss: AIDA, DON CARLOS und OTELLO sind im Martinipark eben so wenig spielbar, wie BAJAZZO, CARMEN oder TURANDOT. Dabei stehen gerade für diese Werke Solisten zur Verfügung, die erfolgreiche Aufführungen garantieren könnten.  Auch RIGOLETTO, PERLENFISCHER und HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN müssen zunächst Wunschträume bleiben, während man mit Gounods FAUST immerhin den Versuch im Interim wagen will. Zum Vorteil der Gala wäre zu sagen, dass man nicht unbedingt auf die sicheren Titel der Werke setzte, sondern durchaus Einzelszenen auswählte, die den bekannten Evergreens in nichts nachstehen. (Im BAJAZZO das große Anfangs-Ensemble statt der unverwüstlichen „Lache Bajazzo“Arie, in RIGOLETTO und DON CARLOS eher unbekannte Quartette statt der allbekannten „Feilen Sklaven“-  oder „Sie hat mich nie geliebt“-Arien, in AIDA gar auf ein weniger bekanntes Duett zwischen Amneris und Aida statt der bekannten so genannten Nil-Arie und in TURANDOT entschied man sich auf Auszüge aus dem 1. Akt, der weder die Titelheldin noch die unverwüstliche Tenor-Arie „Keiner schlafe“ enthält.) Für Orchester und Dirigent war also harte Arbeit angesagt, die Augsburger Philharmoniker folgten ihrem offensichtlich gehandicapten Chef mit Spielfreude und Vielseitigkeit, ein Klangkörper, der jederzeit vorzüglich funktioniert.  (Heja trat humpelnd mit Gehhilfe auf und saß während des Konzertes am Pult! – eine Bemerkung wäre diese disziplinierte Leistung schon wert gewesen…)

Natürlich muss ich bei den Solisten Sally du Rand an erster Stelle nennen, sie hat die engelsgleiche Stimme für Desdemona, Aida und Elisabeth, sie hat all diese Partien auch bereits in früheren Aufführungen in Augsburg gesungen, was ihrer Gestaltung Ruhe und Souveränität gibt und sie verfügt über eine technische Bravour, die beispielsweise das Gebet der Desdemona zum sängerischen Höhepunkt des Abends werden lässt. Mit dieser Ruhe der Stimmführung und Leichtigkeit des Ansatzes dürfte sie derzeit auch an Spitzenhäusern keine Konkurrenz haben.- Ebenso ist Alejandro Marco-Buhrmester eine zuverlässige Stütze des Ensembles: sein Tonio-Prolog (BAJAZZO) hat singuläres Profil, als Rigoletto und Marquis Posa im CARLOS steht er nicht nur mit Sicherheit den jeweiligen Ensembles zur Seite, sondern vermag die jeweiligen Figuren glaubhaft zu charakterisieren.- Sehr gut hat sich die junge Jihyun Cecilia Lee entwickelt, die sich nicht nur für die Nedda im BAJAZZO, sondern besonders für die Liu in TURANDOT  empfiehlt. Ihr zur Seite stand das Augsburger Ur-Gestein Gerhard Siegel als allgewaltiger und profilierter Kalaf.  Stanislav Sergeev bewies mit seinem Rondo vom goldenen Kalb aus Gounods FAUST und mit dem König Philipp im DON CARLOS-Quartett, dass er des Hauses „Basso profundo“ genannt werden darf. Sehr gefreut hat mich die Wiederbegegnung mit Wiard Witholt, der mit Valentins Gebet aus FAUST nachhaltig beweisen konnte, welche sängerischen Reserven in ihm stecken, ebenso überzeugte er im Duett aus den PERLENFISCHERN, gemeinsam mit Roman Poboinyi, der seinerseits mit dem Lied vom „Kleinzack“ sehr erfolgreich war.- Mit ihrem glockengleichen Koloratursopran punktete Olena Sloia in der Olympia-Arie und als Gilda in RIGOLETTO. Ihr wäre, ebenso wie den beiden stimmstarken Altistinnen Natalya Boeva und Kate Allen, sowie dem neu ins Ensemble gekommenen Tenor Pascal Herington die prägende Hand eines Regisseurs zu wünschen, der ihre stimmlichen Stärken in Richtung Ausstrahlung und Persönlichkeit wesentlich erweitern müsste.-  Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek hatte die wesentlich zum Gelingen des Abends beitragenden Einsätze des Chores sicher einstudiert.

Ein schöner Abend, ja – aber auch mit Schönheitsfehlern! Ich habe nicht verstanden, weshalb das Orchester während des gesamten Einlasses des Publikums – immerhin eine gute halbe Stunde! – auf der Bühne sitzen muss. Gestört hat mich, dass da ein Herr in Jeans und legerer Jacke betont locker mit einigen Musikanten plauderte und dann eine Art Registerprobe mit dem Orchester veranstaltete – wozu? (Und eine schwarze Hose mit weißem Hemd ist doch relativ wohlfeil in jeder C&A-Filiale erhältlich!) – Das alles aber war gar nichts gegen den Hammer am Schluss: wer ist denn auf die Idee gekommen, ein ernst zu nehmendes und in sängerischer Qualität hochkarätiges Konzert mitten im TURANDOT-Finale durch ein völlig unmotiviertes und überflüssiges Feuerwerk zur Zirkusnummer zu degradieren? Nicht nur hier fehlte die straffe Hand eines Regie-Verantwortlichen (wenn man schon dem reinen Konzert misstraut!) – er wäre wichtiger gewesen als die langatmigen und schulmeisterlichen „Erklärungen“ der beiden ansagenden Dramaturginnen. Opernbesucher kennen und lieben ihre Evergreens, (und übrigens nach wie vor in der deutschen Text-Fassung, auch wenn in Originalsprache gesungen wird!) sie bedürfen nicht der Belehrung!    

Werner P. Seiferth

 

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