„Sehnsuchtstöne“ – Liederabend Sally du Randt im Rokokosaal der Regierung von Schwaben in Augsburg / 15.06.2022
Dass ein Liederabend aufgrund starker Nachfrage wiederholt werden muss, noch dazu einer der Lokalmatadorin Sally du Randt in Augsburg, mag nichts Außerordentliches sein, erst recht nicht, wenn am Originaltermin im Januar diesen Jahres die Corona-Beschränkungen einen großen Teil des Publikums am Zugang hinderte. Dass ein Liederabend mit vorwiegend modernen deutschen Kunstliedern von Alban Berg, Arnold Schönberg und Franz Schreker, ergänzt durch einige Lieder von Richard Strauss und zu Beginn mit einem Reigen südafrikanischer Lieder – hierzulande weitgehend unbekannt! – wiederholt werden muss und trotz sommerlicher Hitze ein breites Publikum anzieht, darf schon als außergewöhnlich gelten, denn Sally du Randt hat es mit diesem Programm dem Publikum, sich selbst und auch ihrem Pianisten Michael Wagner nicht leicht gemacht. Aber eben dieses „Besondere“ gab dem Abend seinen Reiz und die lockere Art, mit der Frau du Randt das alles servierte – nicht vom hohen Podest aus dozierend, sondern „ebenerdig“ mit ihrem Publikum auf Tuchfühlung und teilweise plaudernd; wenn sie – zumindest im ersten Teil – persönliche Anmerkungen zu den Liedern aus ihrer Heimat beisteuerte. Kein steifes „schwarzes“ Konzert, sondern ein Abend zum Nachdenken und oft auch Schmunzeln. Das hatte Klasse, das war außergewöhnlich.
Sally du Randt / Foto: ©Aleksander Arsenovic
Im ersten Programmteil forderten denn auch Lieder aus Südafrika, die in Originalsprache gesungen wurden und deren Text in Originalsprache und in deutscher Übersetzung im Programmheft abgedruckt worden waren, besondere Aufmerksamkeit. Das Publikum nahm Sally du Randts kurze Kommentare freundlich auf und verfolgte die einzelnen Lieder dann im übersetzten Text im Programmheft. So wurden nicht nur Stephanus le Roux Marais Lieder (u. a. „Bosveldhuisie“, „Die roos“, „Salut d’amour“), sondern ebenso Arnold van Wyk’s „In die stilte van my tuin“ und besonders P. J. Lemmers „Kokkewiet“ zu besonderen Höhepunkten diesen Teiles. Ihnen schlossen sich noch vor der Pause Alban Bergs „Sieben frühe Lieder“ an, ein heutzutage nahezu „klassischer“ Liedzyklus, von der Sängerin und dem Pianisten mit großer Emphase gestaltet. Ein weiterer Höhepunkt des Abends wurde der Zyklus „Mộrester en Plankiemesiek“ („Morgenstern und Musik“) von Pieter Johannes de Villiers, stilistisch – für mich (!) – der interessanteste Beitrag des Abends. Die „Vier Lieder“ op. 2 von Arnold Schönberg erschließen sich dagegen viel komplizierter – konstruiert schwierig und deshalb nur sehr schwer verständlich. Gleiches gilt ebenso für die „Sechs kleinen Klavierstücke“ op.19 von Schönberg, die der meisterliche Klavierbegleiter Michael Wagner gekonnt und souverän vortrug.
Ein vielseitiges und schweres Programm, ich sagte es schon, aber – „die Afrikaanse Lieder sind sehr ‚einfach‘ und von der Sprache her teilweise sehr kindlich und ‚bildsprachlich‘ geprägt. Darin liegt ihr Charme“ erzählte Sally du Randt. Jedenfalls passte alles gut zusammen. Wenn man sich freilich die Lebensdaten der Komponisten anschaut, möchte ein Grübeln darüber, was „zeitgenössisch“ ist, schon erlaubt sein: außer Pieter Johannes de Villiers (1924 – 2015) sind alle übrigen Komponisten um die Mitte des 20. Jahrhunderts verstorben, sind also heute – 2022 – keine „Zeitgenossen“ mehr, ähnliches merkte ich kürzlich auch zu Benjamin Britten anlässlich der sehr erfolgreichen Augsburger Premiere des PETER GRIMES an. „Zeitgenossen“ sind Menschen, die neben uns leben – hier und heute! . (In der DDR, wo ich aufgewachsen bin und studiert habe, war das einfach – es galt als „zeitgenössisch“ was von einem unserer „Hochschullehrer“ komponiert war. So kamen Hanns Eisler, Paul Dessau, Rudolf Wagner-Regeny und Ottmar Gerster zu Ehren, die heute – Eisler ausgenommen – kaum noch jemand kennt; die DDR indessen existiert seit nunmehr über dreißig Jahren nicht mehr!)
Den Abschluss bildeten vier Lieder von Richard Strauss, den eigenartigerweise kein Mensch als „zeitgenössisch“ bezeichnet, obwohl er von den Lebensdaten einwandfrei zu seinen hier aufgeführten Komponisten-Kollegen passt. Sollte das dann heißen – Strauss ist Klassik? Was sich nicht hält, ist durchgefallen? Eine gewagte These, ist mir klar; darüber könnten sich doch Dramaturgen mal den Kopf zerbrechen, oder auch – zum Thema passend! – wie lange ein Theater, das mit Sally du Randt eine überdurchschnittliche Strauss-Sopranistin im eigenen Ensemble hat, bisher bewiesen mit Chrysothemis, Salome und Ariadne und immer auch wieder Strauss-Liedern, warten lässt, bis sie endlich die Feldmarschallin im ROSENKAVALIER singen darf – etwa so lange, bis die ironische Bemerkung im Text ihres Monologes: „siegst es, da geht die alte Fürstin Resi“ nicht mehr ironisch verstanden werden darf?
Werner P. Seiferth