AUGSBURG: „Die Walküre“ (konzertant) als Oster-Benefiz-Gala für die Theatersanierung – 20.04.2019, Kongresshalle am Park
Im Jahre 1997 debütierte in Augsburg ein junger Tenor mit der Partie des Mime im (bisher letzten !!) Augsburger „RING“ und eroberte mit eben dieser Partie in der Folgezeit die Bühnen der Welt von München über Bayreuth bis Wien, New York und Japan: Gerhard Siegel. Trotz weltweiter Erfolge ist er der Stadt und dem Theater Augsburg immer verbunden geblieben und betrachtet Augsburg als seine künstlerische Heimat. Es war seine schöne Idee, nach all den Erfolgen weltweit, gemeinsam mit international anerkannten Kolleginnen und Kollegen, eine Benefiz-Gala zugunsten der Sanierung des derzeit geschlossenen Großen Hauses des Augsburger Theaters zu veranstalten, so kam es zu der konzertanten Aufführung der WALKÜRE am Ostersonnabend im (unverständlicherweise nicht ausverkauftem) Kongress am Park. Alle, die Siegel gerufen hatte, kamen und stellten sich ohne Gage diesem Anliegen:IréneTheorin als Brünnhilde, Jennifer Holloway als Sieglinde, Johan Reuter als Wotan, Walter Fink als Hunding, Katharine Goeldner als Fricka und Waltraute, Yamina Maamar als Helmwige, Meredith Hoffmann-Thomson als Ortlinde, Melissa Zgouridi als Roßweiße, Nadine Weissmann als Schwertleite). Gerhard Siegel selbst sang den Siegmund. Das zunächst ist aller Ehren wert und verdient eine uneingeschränkte Anerkennung.
Augsburger Philharmoniker, Gerhard Siegel, Domonkos Héja, Jennifer Holloway – Foto: Jan-Pieter Fuhr
Auch das Theater Augsburg selbst trug einen wesentlichen Anteil am Abend, in dem die Augsburger Philharmoniker mit ihrem Generalmusikdirektor Domonkos Héja sowie drei Sängerinnen des Ensembles als Grundpfeiler des Walküren-Oktetts (Sally du Randt als Gerhilde, Kate Allen als Siegrune und Natalya Boevaals Grimgerde) wesentlich zum Gelingen des Abends beitrugen. Und es wurde für Augsburg ein wahrhaft großer Abend, das Publikum spendete bereits nach dem ersten und zweiten Akt jeweils Standing Ovations, am Ende brandete ein Jubel auf, den ich in dieser Form in Augsburg noch nicht erlebt hatte. Alle, die nicht kamen (es gab für ein solches Ereignis zu viele freie Plätze!) haben etwas Großes verpasst, das darf man sagen ungeachtet der kritischen Einwände, die nicht verschwiegen werden dürfen.
Eines der größten Probleme bei jeder konzertanten Aufführung eines Wagnerschen Werkes stellt die falsche Akustik dar: Wagner hat Bayreuth u. a. auch deshalb so bauen lassen, wie es eben ist, um seine Klangvorstellungen verwirklichen zu können. Und das bedeutet, auf das Orchester bezogen, nicht nur die beiden so genannten „Schalldeckel“, die es unsichtbar machen, es bedeutet vor allem die Abstufung des Orchesterraumes nach unten, das Blech und die Schlagwerker sitzen am Tiefsten, werden also bereits von dieser Raum-Aufteilung in einen charakteristischen „Grund“ verwandelt, der das Klangbild in bestimmender Weise prägt, die Streicher sitzen oben und werden vom vorderen Schalldeckel zudem reflektiert. Diese akustischen Bedingungen auf dem Konzertpodium herzustellen, ist nahezu unmöglich, schon Aufführungen vor vielen Jahren im Leipziger Gewandhaus („Lohengrin“ 1983, „Rheingold“ 1984, beides unter Wolf-Dieter Hauschild, noch schwieriger der „Parsifal“ Ende der neunziger Jahre) und nicht zuletzt die Serie aller Wagner-Werke vom „Holländer“ bis zum „Parsifal“ in der Berliner Philharmonie unter Janowski (2010 – 2013) haben das eindeutig bewiesen. Auf dem Konzertpodium sitzen die Blechbläser und auch das Schlagwerk auf dem höchsten Podest, überstrahlen alles, was vor ihnen sich müht. Das ist eine völlig andere akustische Ausgangslage und sie dominierte den Abend. Das hat nichts mit der Spielkultur oder Präzision zu tun, sondern ist einfach durch die Lautstärke bedingt. Wenn sie dann noch angefeuert und nicht gebremst werden, entsteht zwangsläufig eine Disproportion. Die Sänger der Hauptrollen vor diesem gewaltigen Lautstärke-Massiv hatten alle Kräfte aufzubieten, um bestehen zu können, die ungünstige, geradezu falsche Aufstellung der acht Walküren im dritten Akt, die in einer geraden Linie seitlich rechts nach hinten standen und in das Orchester hinein, statt nach vorn singen mussten, machte die ohnehin heikle Szene zur Materialschlacht. Nun ist ja nicht zu bestreiten, dass der „laute Wagner“ die Massen begeistern und überwältigen kann, auch wenn von Textverständlichkeit dabei kaum die Rede ist. (Unbegreiflich, aber es ist immer wieder auch andernorts festzustellen!)
Allerdings hat Wagner das so weder gemeint noch je ausführen lassen, wozu er sich in seinem Festspielhaus eben bessere Voraussetzungen schaffte. Und wer je in Bayreuth gehört hat, wie ein Fortissimo klingt, wer weiß, dass an einigen Stellen, wo fortissimo steht, dieses in ein forte abgeschwächt wirdohne die Wirkung zu verfehlen – im Gegenteil, sie zu steigern – der weiß, wovon ich spreche. Damit will ich keineswegs die Leistungen der bestens disponierten Augsburger Philharmoniker herabwürdigen, sie spielten präzise und sehr engagiert, in wenigen Momenten auch klangvoll und beseelt; es gab weder Ansatz- noch Intonationsprobleme, das Zusammenspiel klappte – aber die Proportionen stimmten einfach nicht. Die heikle Akustik des Saales unterstützte diese falschen Proportionen noch und ich weiß nicht, ob ich die Sänger, die diesen Gewalten trotzten, mehr bewundert als bedauert habe. Sie alle hätten einen noch eindeutigeren Erfolg haben können, wenn sie sich nicht ständig am Limit hätten bewegen müssen. Was im ersten Akt hoffnungsvoll begann, steigerte sich von Akt zu Akt mehr und erreichte im dritten Akt einen Dauerpegel, der kaum zu überbieten, jedenfalls im Vergleich mit anderen Aufführungen(auch und gerade in Augsburg!) eben dann auch nur noch laut war. Schade!
Und weil der Theaterpraktiker und Theaterkapellmeister Richard Wagner um die Gefahren wusste, richtete er vor der ersten RING-Aufführung seine berühmte „Letzte Bitte“ an alle Mitwirkenden: „Die großen Noten kommen von selbst, die kleinen Noten und ihr Text sind die Hauptsache! Bleibt mir gut, ihr Lieben“. Sie sei besonders dem temperamentvollen und vom Werk ganz offensichtlich begeisterten Dirigenten zur Lektüre empfohlen.
Werner P. Seiferth