Augsburg / Kongress am Park: „OTELLO“ – 02.03.2017
Zurab Zurabishvili, Sally du Randt. Copyright: A.T.Schäfer
Nach privatem Premieren-Besuch wurde ich bar der hervorragenden Sänger zum Wiederholungstäter der 3. Aufführung der „Otello“-Produktion (G. Verdi) des Theaters Augsburg in einem der Ausweich-Quartiere Kongress am Park. Herr Seiferth (Online-Merker) würdigte bereits ausführlich das abstruse szenische Faktum, gelten meine Folge- Besuche lediglich dem wichtigsten Element, der musikalischen Komponente.
In Erweiterung seines immensen Repertoires dramatischer Tenorpartien u.a. Èlèazar, Hermann, Spieler krönte Zurab Zurabishvili das Rollenspektrum mit einem weiteren Highlight und zwar dem Otello. Der georgische Sänger erfuhr während der letzten Jahre eine eindrucksvolle tenorale Entwicklung, sein Timbre wurde dunkler, fundamentaler und hat dennoch nichts vom spezifischen Charme, dem wunderbaren Schmelz oder an Leichtigkeit der Strahlkraft eingebüßt. Man erlebte einen ehrlichen Verdi-Interpreten von durchgehend vokaler Präsenz. Glanz und Sicherheit in Stimmführung und Ausdruck prägen die Bewältigung der mörderischen Partie in bewundernswerter musikalischer Kompetenz. Der stringenten, intensiven Gestaltung stellt sich Zurabishvili den Ansprüchen Otellos basierend auf technisch sicherer, klug phrasierender Vokalise ohne jeglichen Druck auf frei strömende Höhen welche er effektvoll zur Charakterisierung der Eifersucht, Seelenqual und Verzweiflung vortrefflich einzusetzen vermag. Unter die Haut gehende Momente strukturierten Ausdrucks von Ekstase, Wahnsinn beeindruckten gleichermaßen wie dem ganz auf weitem Atem gespannte Legato der Liebesgefühle sowie dem berührenden Finale. Ein bravouröses Rollendebut welches dem vielseitigen Sänger die Türen der Staatsopern öffnen könnte.
Sally du Randt, Interpretin grandioser Charakterpartien am Hause verkörperte nun Desdemona in bewundernswerter Form, vereinte weibliche Kompromissbereitschaft mit charismatischer Persönlichkeit in attraktiver Bühnenpräsenz. Ihr zu Beginn dramatisch anmutender Sopran verlor allmählich die bedeutungsvolle Schwere und erreichte während des Abendverlaufs herrlich aufblühende Farbnuancen. In klangvollem Legato und schönen Piani begeisterte die ausdrucksstarke Sängerin gleichwohl wie zum gehaltvollen Fundament der dramatischen und seelenvollen Ausbrüche und avancierte zudem in totalitärer Gestaltung zur kongenialen Partnerin.
Vorzüglich wertete Kerstin Descher die kurzen Momente der oft unterschätzte Emilia-Partie mit herrlich profundem, wohlklingend, dunkel lockendem Mezzoklang auf.
Frei jeglicher Premieren-Indisposition entfaltete Antonio Yang völlig entspannt die breite Farbpalette seines kräftigen Baritons. Man erlebte keinen teuflischen, protzigen Wüstling sondern eher den verschlagenen Intriganten, welcher seiner Dämonie markant in vokaler Raffinesse Ausdruck verlieh. Während der expressiven Ausbrüche verlor sein Organ nie die vokaler Contenance und punktete zudem mit feinen Piani.
Junge, hörenswerte Stimmen vernahm man zu den kleineren Partien Cassio (Ji-Woon Kim), Rodrigo (Christopher Busietta), Lodovico (Young Kwon), Montano (Georg Festl), Herold (Alexander York). Klangschön mit wunderbar ausgewogenen Stimmen präsentierten sich Opernchor und Extrachor des kontroversen Agierens zum Trotz.
Ganz im Sinne der dramatischen Szene entwickelte Lancelot Fuhry am Pult der Augsburger Philharmoniker ein opulentes Klanggemälde von besonders akustischen Qualitäten. Überdimensionierte Orchesterproportionen des GMD erschreckten noch während der Premiere (2. Parkettreihe) meine empfindlichen Gehörsensoren, vernahm ich nun distanziert auf dem Balkon ein weitaus differenziertes Klangbild, doch ließ es auch Kapellmeister Fuhry gehörig krachen, Verständigungsprobleme und Ensemble-Wackler dürften sich nach ergiebigen Proben ausmerzen lassen? Gewiss waren die lieblich-ergreifenden Töne, der süße melodische Fluss der reizvollen Verdi-Partitur überreich zu vernehmen, wunderbar entfaltete sich die saubere Intonation der Streicher im betörenden Klang, die satt-schwebende Gloriole zu den hinreißend nuancierten Formationen des prächtig aufspielenden Klangapparats bestückt mit prächtigen Bläserfraktionen. Dennoch hätte ich mir zu den sorgfältig ausgeleuchteten musikalischen, dynamischen Details zuweilen weniger ausufernde Brachialgewalt gewünscht. Doch schmälert mein persönlicher beckmesser´scher Einwurf keineswegs den positiven Gesamteindruck.
In Begeisterung feierte das Augsburger Publikum des nur halbvollen Saals, die respektablen musikalischen großartigen Leistungen.
Wie mir heimische Besucher berichteten: war der Publikumszuspruch der vorherigen 2. Aufführung ebenso gering, obwohl im Vergleich zur Opernhaus-Bestuhlung dem akustisch sehr guten Konzertsaal ca. 200 Plätze weniger zur Verfügung stehen. Fatale Folgen einer komplett entbehrlichen Inszenierung oder eventuell mangelndes Management? Wie auch sei, ein Besucherschwund bedingt jener Aspekte, bekämen der momentanen Renovierungs-Situation des Theaters in keiner Weise.
Gerhard Hoffmann