AUF DEN SPUREN VON ANTON BRUCKNER 6 : BÜCHER NEUERSCHEINUNGEN
Anlässlich des 200. Geburtstags von Anton Bruckner sind auch einige neue Bücher über ihn erschienen, die alle hervorragend sind und alle eine Bereicherung der Secundärliteratur darstellen.
ANTON BRUCKNER – EINE BIOGRAFIE
Die „klassischste“ der neuen Publikationen ist dabei diese von Alfred Weidinger und Klaus Petermayr herausgegebene Biografie, die sich im Gegensatz zu ihren vielen Vorgängerinnen nicht auf immer weiter ausgeschmückte Anekdoten und altbekannte Klischees stützen will, sondern ausschließlich auf Dokumente und Fakten. Klingt staubtrocken und langweilig, ist es aber keineswegs.
Denn die die verschiedenen Lebensstationen Bruckners beleuchtenden Beiträge von Sandra Föger, Johannes Leopold Mayer, Friedrich Buchmayr, Stephan Gaisbauer, Clemens Hellsberg, Andreas Lindner und Thekla Weissengruber sind allesamt nicht nur kenntnisreich, sondern auch brilliant geschrieben.
Und die „Exkurse“ über Bruckners Frauen, Bruckner als Vater, Bruckners Kleidung, Bruckners Speiseplan, Bruckner als Wanderer, Bruckner als Tänzer, Bruckners Bruder etc. tun ein Übriges dazu, die Lektüre anregend und unterhaltsam zu machen.
Oder wussten Sie, dass unser aller Anton, der fromme Organist, einen gewissen Hang zum Makabren, manche nennen es sogar Nekrophilie (wa ich für übertrieben halte) hatte? Schon als Jugendlicher pflegte er Schikdkröten Kerzen aufzubinden und sie über den Friedhof spazieren lassen. Er liebte Leichenzüge und bemühte sich, Leichen zu berühren. Als sein Lehrer Johann Baptist Weiß Selbstmord verübte, wollte er unbedingt dessen Schädel zuhause als Reliquie aufbewahren (was ihm verwehrt wurde). Bei Beethovens Exhumierung am Währinger Friedhof war Bruckner anwesend und soll mit großer Erregung auf dessen Schädel in seiner Hand eingesprochenen ihn „befingert und geküsst“ haben. Nach dem Ringtheaterbrand – er wohnte ganz in der Nähe und kam nur mit dem Leben davon, weil er Offenbach hasste – ließ er sich nicht nehmen, sehr lange zwischen den verkohlten Leichen herumzuwandeln. Er besuchte auch den Prozess eines mehrfachen Mörders und wollte sogar an dessen Hinrichtung teilnehmen. Als ihm das verweigert wurde, nahm er wenigstens dieselbe Henkersmahlzeit ein wie der Verurteilte: ein Wiener Schnitzel.
Sehr schön auch das Verzeichnis aller mit dem Meister in Verbindung stehenden Orte in ganz Europa und der Abdruck aller von ihm bekannten Photographien.
Anton Bruckner, eine Biografie – kaum erschienen, schon ein Standardwerk. Sollte in keinem bruckneraffinen Haushalt fehlen…
DICKSCHÄDELS REISEN
Auf ganz andere Art und Weise grossartig ist ein zweites, auch im Pustet-Verlag erschienenes Buch : Dickschädels Reisen. Allein schon das Cover erweckt sofort das brennende Interesse: es zeigt den (bekanntlich nicht mit allzugrosser Schönheit gesegneten) Meister im Profil mit einer oberösterreichischen Goldhaube auf dem Schädel. So ein Buch muss man doch sofort haben wollen !
Und man bereut es auch nicht: Florian Sedmak hat sich die Mühe gemacht, alle 37 Bruckner-Orte in Oberösterreich zu bereisen und darüber zu berichten. Angesichts der Selbstbezeichnung des Autors (Punkrocker im Vorruhestand, Werbetexter, Qi-Gong-Lehrer) bekommt man eine Vorstellung davon, wie originell seine Schilderungen sind.
Ein sehr hübsch gestalteter, kompakter Band, eine Art Bruckner-Baedecker, ein Vademecum für alle, die Oberösterreich auf den Spuren des Heiligen Anton bereisen wollen.
Also auf nach Ansfelden, Attersee, Bad Goisern, Bad Ischl, Bad Kreuzen, Ebelsberg, Eferding, Enns, Gmunden, Grein, Hörsching, Kirchdorf an der Krems, Kremsmünster, Kronstorf, Leonding, Linz, Luftenberg an der Donau, Micheldorf, Neufelden im Mühlkreis, Ottensheim, Perg, Ried im Innkreis, Schlierbach, Schwanenstadt, Sierning, St. Florian, St. Marienkirchen an der Polsenz, Steyr, Steyregg, Steyrling, Ternberg, Tillysburg, Vöcklabruck, Wels, Wilhering, Windhaag bei Freistadt und Wolfern !
ANTON BRUCKNER – DER FROMME REVOLUTIONÄR
Unverzichtbar für jeden Bruckner-Interessierten auch der anlässlich der großen Ausstellung in der Österreichischen Nationalbibliothek (noch geöffnet bis 26.1. ) erschienene Begleit-Katalog „Der fromme Revolutionär“. Herausgegeben von Andrea Harrandt und Thomas Leibnitz beinhaltet er Beiträge von Elisabeth Maier, Andreas Lindner, Joachim Reiber, Ingrid Fuchs, Otto Biba, Felix Diergarten, Franz Scheder u.v.a.
Nicht minder fundiert als die Biografie hat der Katalog aber die Freiheit, sich anderen (ergänzenden) Themenbereichen zu widmen: Bruckners Prägung durch die Volksmusik, seinen Schülern, seinen Freunden und Förderern, seiner Karriere und seinem Leben in der „Weltstadt“ Wien, den Revisionen seiner Symphonien und den zum Teil wirklich vernichtenden(aber auch zustimmenden) Kritiken, die zu seiner Zeit darüber erschienen sind.
Auch diese neue Publikation ist voll mit selbst für den Bruckner-Kenner unbekannten und erhellenden Details. Absolutes Atout des Bandes: alle noch auffindbaren Portraitphotographien der von Bruckner mit Heiratsanträgen überschütteten Maiden und Fräuleins: Mathilde Fessl, Hedwig Habermann, Marie Payrleithner, Caroline Wellnböck, Aurelia Stolzar, Henriette Sammet und Minna Reischl. Diese Mühe hatte sich bisher noch niemand gemacht…
Dieser Katalog gehört nicht nur in die Nationalbibliothek, sondern in jede hauseigene.
Robert Quitta