Onassis Cultural Centre, Athen
Aerites Dance Company: Cementary
Besuchte Vorstellung am 1. März
Schritte in der Stadt
Bewegung prägt das moderne Grossstadtleben und dies in vielerlei Hinsicht. Dabei steht der Mensch durchaus nicht immer im Zentrum. Für Choreografen unserer Zeit ist der urbane Raum zu einem bevorzugten Experimentierfeld geworden, sei im Sinne einer Feldforschung oder als Schauplatz tänzerischer Aktion. Performances im urbanen Raum vermessen das soziale und kulturelle Gefüge der Gesellschaft und machen die Zuschauer zu Mitwirkenden. Auch auf der Bühne zielt die Auseinandersetzung mit der Stadt auf Einblicke in das menschliche Beziehungssystem und deren Relationen zum Raum. Der zeitgenössische Tanz scheint in besonderer Weise den Fragen des urbanen Raums, der unser Leben so entscheidend prägt, zugewandt zu sein.
Was die Choreografin Patricia Apergi mit ihrer Aerites Dance Company auf die Bühne des Onassis Cultural Centre bringt, erweist sich schon vom Titel her als diesem urbanen Kontext zugehörig: Das Stück „Cementary“ spielt mit den englischen Begriffen für Zement und Friedhof. Der Titel zielt auf das Gebaute, welches in Metropolen oft menschliches Mass verlassende Dimensionen erreichen und Gefühle des Erdrückt- oder Begrabenwerdens auslösen kann. Apergis Menschen bewegen sich denn auch meist in geduckter Haltung durch die Bühnenräume. Sie wirken unsicher, ja beinahe hilflos. Wenn sie sich zur Gruppe zusammenfinden, scheinen sie Momente von Solidarität zu erleben. Eindringlich etwa die Szene, wo sich alle eng aneinandergedrückt unter Kleidungsstücken gleichsam schützend verbergen und gleichzeitig geborgen sind. Die Tänzerinnen und Tänzer vermessen schreitend und eilend den Raum und füllen ihn mit ihren Emotionen. Sonderlich beruhigend wirkt dieser urbane Kosmos nicht auf den Betrachter. Er beleuchtet jedoch überzeugend die Relationen zwischen Mensch und Stadt, Individuum und Gruppe. Der von Dimitris Nasiakos gestaltete Raum weist anfangs ein in Bühnenbreite gespanntes Segel auf, das den Ort der Szene als Strassenschlucht definieren könnte. Später sind es die leere Bühne und die sichtbare Theatertechnik, die den Raum bestimmen. Die „urbanen“ Kostüme stammen von Vasiliki Syrma, die passende Musik von Vasilis Mantzoukis. Für das Licht ist Nikos Vlasopoulos verantwortlich.
Das Ensemble auf der Bühne entledigt sich seiner Aufgabe in hervorragender Weise: Hara Kotsali, Ioanna Paraskevopoulou, Elias Hadjigeorgiou, Nondas Damopoulos, Giorgos Michelakis und Eva Georgitsopoulou. Sie alle bringen individuelle Charaktere auf die Bühne und schaffen ein urbanes Labor menschlicher Beziehungen. Das Publikum bedankt sich mit anhaltendem, starkem Beifall.
Ingo Starz