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ATHEN/Athen-Festival: AIDA. Premiere der Neuinszenierung /Übernahme vom Taormina Opera Festival

11.06.2016 | Oper

Aida. Premiere der Neuinszenierung vom 10. Juni im Rahmen des Athens Festival

(Übernahme vom Taormina Opera Festival)

Römische Ruine in ägyptischem Licht

Αΐντα - πρεμιέρα -0148p

 Giuseppe Verdis Oper „Aida“ gehört fraglos zu den publikumwirksamsten Werken des Genres und wird gerne bei Freilichtfestivals auf den Spielplan gesetzt. In der Arena von Verona ist es wohl seit Jahrzehnten das zentrale Werk, aber auch andernorts nutzt man gerne die effektvollen Darstellungsmöglichkeiten, welche die altägyptische Szenerie bietet. Der Triumphmarsch des zweiten Akts kommt eigentlich erst ausserhalb der engen Grenzen der Opernhäuser zur vollen Entfaltung. Die Nationaloper von Athen präsentiert nun eine Produktion des Taormina Festivals in den eindrucksvollen Gemäuern des Odeion des Herodes Attikus. Das bunt gemischte Publikum strömte in Scharen zur Premiere.

 Der Regisseur Enrico Castiglione versucht sich erst gar nicht an einer Neudeutung des Werks, sondern konzentriert sich auf die antike Bühnenwand, welche er ausgiebig als Projektionsfläche nutzt. Tatsächlich sind die wechselnden Bilder in altägyptischem Stil reizvoll, machen die auf das Gemäuer geworfenen, bunten Szenerien Eindruck. Der Bühnenaufbau davor erinnert an eine Pyramide und ist leider wie geschaffen für statische Personenanordnungen. Was man in den beiden ersten Akten zu sehen bekommt, erinnert darum nur selten an Personenführung. Selbst die berühmte Triumphmarschszene leidet unter der Statik der Szene und die Kostüme von Sonia Cammarata ändern wenig an diesem Eindruck.

Immerhin entfachen die intimeren Szenen des dritten und vierten Akts deutlich mehr Intensität im Spiel. Dies verdankt sich jedoch mehr den Sängern als dem Regisseur. Die von Fotis Diamantopoulos choreografierten Balletteinlagen geraten eher unauffällig – und erscheinen nicht nur deshalb verzichtbar. Die Inszenierung von Castiglione bietet dank der Projektionen einiges fürs Auge und weiss, den grossen Bühnenraum zu füllen. Das dürfte den Ansprüchen der Mehrheit im Auditorium genügen.

 Die Kollektive der Nationaloper erbringen sehr gute Leistungen. Das Orchester unter der Leitung von Myron Michailidis, dem künstlerischen Direktor des Hauses, bringt die Partitur farbenreich und differenziert zu Gehör. Die Blechbläser wissen nicht nur in der exponierten Triumphszene zu überzeugen. Bühnenmusik und Graben sind gut koordiniert. Man spürt, dass hier sorgfältig einstudiert wurde. Zu loben sind auch der Chor und Extra-Chor, die nicht nur klangmächtig, sondern auch klangschön über die Rampe kommen. Der Chordirektor Agathangelos Georgakatos hat sehr gute Arbeit geleistet.

 Die Solisten der Aufführung steigern sich allesamt im Laufe des Abends und bieten über weite Strecken mitreissende Leistungen. Walter Fraccaro, der an Stelle von Dario di Vietri den Radames sang, hat in seiner Arie „Celeste Aida“ noch Probleme mit der Phrasierung, läuft dann aber ab dem dritten Akt zu grosser Form auf. Die eng mit der Nationaloper verbundene Cellia Costea bot eine eindrückliche Aida. Ihre Stimme kennzeichnet nicht nur dramatische Kraft, sondern auch eine Weichheit und Rundung des Tons, die ihre Arie im dritten Akt zu einem Höhepunkt des Abends macht. Costea und Fraccaro bieten schliesslich ein eindringlich gestaltetes Schlussduett. Elena Gabouri als Amneris verfügt über eine kraftvolle Tiefe  und eine markante Stimmfarbe. Sie erweist sich den zuvor genannten Interpreten als ebenbürtig. Gleiches lässt sich von Aris Argiris als Amonasro sagen, der in seiner grossen Szene mit Aida ein bewegendes Porträt der Rolle zeichnet. Dabei ist sein Ton stets fokussiert und sein Singen verbindet dramatischen Ausbruch und Linie sehr gekonnt. Ein weiterer Höhepunkt der Athener Aufführung. Tassos Apostolou als Ramfis, Dimitris Kassioumis als Pharao, Lenia Safiropolou als Priesterin und Charalambos Velissarios als Bote runden den positiven Eindruck ab. Die musikalisch eindrückliche „Aida“ im Odeion des Herodes Attikus wird vom Publikum gefeiert.

 

Ingo Starz

 

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