Theatro Technis Karolos Koun & Theatro Neos Kosmos
Aischylos: Die Schutzflehenden
Städtisches Freilufttheater Lykabettos
Besuchte Vorstellung am 31. August
Ornament der Ohnmacht
Copyright: Patroklos Skafidas
Es ist eine Tragödie, der sich viel Aktualität einschreiben lässt. Aischylos‘ Werk „Die Schutzflehenden“ handelt von Flüchtlingen. Es geht dabei um die fünfzig Töchter des Danaos, die um der Zwangsverheiratung zu entgehen von Ägypten ins griechische Argos geflohen sind, wo die Wurzeln ihrer Herkunft liegen. Sie bitten dort den König Pelasgus um Aufnahme. Der möchte helfen, ist aber auch in Sorge darüber, dass die ägyptische Seite militärisch eingreifen könnte. Pelasgus lässt das argivische Volk entscheiden und das sagt Ja zu einer Aufnahme der jungen Frauen. Dies wird schliesslich dem ägyptischen Boten mitgeteilt und die Frauen gelangen hinter den Stadtmauern in Sicherheit. Ein demokratischer Entscheid für die Vergabe von Asyl – das ist, liesse sich sagen, nicht nur eine andere, sondern auch menschlichere und progressivere Vorgehensweise als das, was die heutige Bürokratie an Verfahren durchführt.
Um es gleich vorweg zu nehmen, um eine Aktualisierung des Stücks ging es der Regisseurin Marianna Calbari nicht. Zu Beginn, wenn der grosse Chor der Frauen von den seitlichen Zugängen und vom Auditorium her mit Taschenlampen ausgestattet in das noch dunkle Bühnenrund strömt, weist die Inszenierung momenthaft überzeugend auf die Suche der Danaostöchter hin, auf die Suche nach dem Ort des Asyls. Ein hoher Bühnenaufbau (Ausstattung: Christina Calbari) stellt das Stadttor dar, welches die Flüchtlinge passieren wollen. Was bis zur Aufnahme der jungen Frauen in der Stadt handlungsmässig passiert, kommt leider mehr als eine Übung in Bewegungsfolgen und -anordnungen – folgerichtig gibt es eine Choreografin: Christina Souyoultzi – denn als interpretatorischer Zugang daher. Dazu kommt folgerichtig ein deklamatorisches Sprechen, was insbesondere die Darstellerin des Pelasgus auszeichnet, und Musik, welche Kharálampos Goyós komponiert hat. Egal ob man das Dargebotene – Sprechweisen, Gesang und Musik – mag oder nicht, zu einer Deutung des Stoffs führen sie nicht. Die Brisanz der Tragödie verliert sich leider in deren ästhetischer Verpackung, die nur ein Ornament der Ohnmacht liefert. Warum die Inszenierung die populäre Sängerin Marina Satti aufbietet, bleibt unter diesen Umständen unklar. Geht es darum, den Frauen mehr Stimme zu geben?
Die Koproduktion von Theater Neos Kosmos und Kunsttheater Karolos Koun wurde auch im Rahmen des Athens Epidaurus Festival präsentiert. Lydia Koniordou, die den König Pelasgus spielt, hat viel Erfahrung mit griechischer Tragödie. An diesem Abend bleibt sie jedoch blass, ihr Deklamieren und ihr raumgreifendes Gestikulieren wollen nicht recht zur Rolle passen, ja sie wirkt bisweilen wie ein Fremdkörper auf der Bühne. Irgendwie blass und konturlos bleibt auch das übrige Ensemble: Loukia Michalopoulou als Amymone, Lena Papaligoura als Hypermnestra, Akis Sakellariou als Danaus und Giannis Tsortekis als ägyptischer Bote. Zwischen den Figuren entwickelt sich kaum Spannung und dem Sprechen fehlt es an Dringlichkeit.
Das Publikum im nahezu gefüllten Städtischen Freilufttheater Lykabettos spendet engagiert und reichlich Applaus.
Ingo Starz (Athen)