Olympia – Städtisches Musiktheater „Maria Callas“
Il Barbiere di Siviglia
Besuchte Vorstellung am 22. Oktober 2024
Langeweile in Sevilla
Copyright: Städtisches Musiktheater „Maria Callas“
Als die Stadt vor ein paar Jahren begann, das durch den Auszug der Griechischen Nationaloper leerstehende Olympia-Theater wieder mit Leben zu erfüllen, war klar, dass dies kein einfaches Unterfangen ist. Die Mittel der Stadt Athen sind recht beschränkt und die für musikalische Darbietungen zur Verfügung stehenden Ensembles weisen in Erfahrung und Qualität Defizite auf. Olivier Descotes, vormaliger Direktor und Freund des vormaligen Bürgermeisters Kostas Bakoyannis, standen mehr Mittel zur Verfügung, welche dieser für das Engagement namhafter Sänger einsetzte. Orchester und Szene sowie der Publikumszuspruch blieben allerdings hinter den Erwartungen zurück. Das Haus mit Einladungen zu füllen – was man erleben konnte -, ist nun wirklich auch keine Lösung. Mit Beginn dieser Saison übernahm der Bariton Tassis Christoyannis die Leitung des Theaters. Nun steht die erste Opernproduktion seiner Intendanz auf dem Spielplan, Rossinis „Il Barbiere di Siviglia“. Das ist keine originelle Wahl, eher eine, die dem Publikumsgeschmack entgegenkommt. Eine Herausforderung stellt das Werk für das Olympia-Theater aber gleichwohl dar.
Dass der Abend ein unerfreuliches Resultat hervorbringt, liegt nicht unwesentlich an der uninspirierten Inszenierung von Vasilis Papavasileiou und Nikoleta Filosoglou. Sicher die klotzige, rote Bühnenarchitektur, die Angelos Mentis entworfen hat, schränkt die Bewegungsfreiheit der Sängerinnen und Sänger ein. Immerhin erinnert sie einen etwas an den Süden. Geht es dort allerdings so statisch und ungelenk bewegt zu wie hier auf der Bühne? Hätte man sich nicht doch etwas mehr auf die Musik und das szenische Potenzial des Werks einlassen können? Rossinis „Barbiere“ bietet wahrlich reichlich Möglichkeiten für gestische und mimische Details, für Interaktionen und turbulente Bühnenmomente. Was man zu sehen bekommt, verbreitet leider bereits nach kurzer Zeit Langeweile. Es hilft da wenig, dass Figaro als Superman auftritt, da billige Gags, Herumstehen oder grosse Operngesten eben keine überzeugende Regie ausmachen. Nicht einmal das Finale des ersten Akts gewinnt die rasante szenische Verwirrung, den Drive, der eine gute Rossiniaufführung ausmacht. Die Inszenierung muss leider als Reinfall bezeichnet werden.
Leider steht es auch um die musikalische Seite der Produktion nicht zum Besten. Man kann sagen, das recht opernunerfahrene Orchester bremst das Geschehen aus. Die Tempi sind öfters zu langsam, entwickeln nicht den Sog, welchen die Musik auslösen kann. Das Orchester ist zu sehr mit der Bewältigung der Partitur beschäftigt und vermag sich, das möchte man annehmen, nicht auf gestalterische Feinheiten und Freiheiten einzulassen. Der Dirigent Yorgos Ziavras achtet darauf, das Spiel in geordnete Bahnen zu lenken. Aber Ordnung ist halt nur der halbe Rossini. Der kleinbesetzte Chor bleibt unauffällig. Bei den Sängern gibt es ebenfalls Defizite zu vermelden. Christoforos Stamboglis als Basilio überzeugt mit voluminösem Bass, Mina Polychronou singt gut als Berta. Marios Sarantidis als Bartolo ist aber eine Fehlbesetzung. Ihm fehlt buchstäblich die Stimme, ohne Kern klingt sein Bariton hohl. Manuel Amati als Almaviva bringt dagegen eine rechte Rossinistimme ein. Sein Tenor könnte etwas mehr Glanz vertragen, er bietet aber die nötige Schlankheit und Agilität für die Partie. Artemis Bogri hat die Töne für Rosina, es mangelt ihrer Stimme aber mittlerweile an Beweglichkeit und auch allzu sehr an gestalterischen Details. Giorgos Iatrou ist ein engagiert sich ins Zeug werfender Figaro. Sein Stimme verliert jedoch in der Höhe an Farbe und zeigt nicht die für Rossini nötige Agilität. Rossinis „Barbiere“ erfreut sich zurecht grosser Beliebtheit. An diesem Abend wartet man aber vergeblich darauf, von Musik und Szene mitgerissen zu werden.
Am Ende gibt es herzlichen Beifall und sogar ein paar Bravorufe für eine Aufführung, die man eher schnell vergessen möchte.
Ingo Starz (Athen)