Onassis Stegi, Athen: Songs of Rebellion
Auffuehrung am 29. Februar 2020
Onassis Stegi bringt einmal mehr innovatives Musiktheater auf die Buehne. „Songs of Rebellion“ ist eine Koproduktion zweier Berliner Musiktheater-Kollektive: Opera Lab Berlin und Ensemble Garage. Die deutsch-oesterreichische Komponistin Brigitta Muntendorf und der Regisseur Michael Hoeppner formten hierfuer aus verschiedenen Ensembles eine „Community of Practice“. Das Werk, welches am 27. September 2019 im Berliner Ballhaus Ost seine Urauffuehrung feierte, setzt sich aus einer Folge aus Songs resp. Protestliedern zusammen. Um die Worte der Macher zu verwenden: „Songs of Rebellion entfaltet einen Erlebnisraum musikalischer, theatralischer und medialer Schaltstellen, in dem Weltflucht und Agitation, Kunst und Politik, Neue Musik und Pop, Kontemplation und Aktion zu jeder Zeit Fanfare wie auch Schlaflied der Rebellion sein koennen.“
Wie sieht dieses multidimensionale Musiktheater nun auf der Buehne aus? Das Besondere ist zuallererst einmal, dass sich Performer und Publikum gemeinsam auf der Hauptbuehne von Onassis Stegi befinden. Genauer gesagt, die Zuschauer befinden sich in der Mitte, in einer Art Arenasituation, waehrend die Akteure auf einem umlaufenden Steg oder im Publikumsbereich agieren. Eine grosse silberne Kugel im Zentrum markiert wohl unsere Welt, in deren silberner Oberflaeche wir uns und die Performer gespiegelt sehen. Das Setting soll uns wohl sagen, dass wir es sind, welche die Welt bewegen muessen, dass wir aufbegehren sollten. Von der Performanceseite kommt leider wenig, was einen als Zuschauer in Aufbegehren versetzen koennte. Musikalisch spannnt sich der Bogen von Pop zu Schubert, textlich reicht das Spektrum von Goethes „Prometheus“-Gedicht bis zu Herbert Marcuse Gedanken zum antiken Helden: „Prometheus ist der Archetypus des Helden des Leistungsprinzips.“ Prometheus als paradigmatische Figur leuchtet ein, den Bildern moderner, die Welt stimulierender Helden von Gandhi bis Maria Callas findet Zustimmung und das Vorzeigen rechtskonservativer Helden bringt eine interessante, gegenlaeufige Komponente ins Spiel. Was ist aber mit all den musikalischen Facetten des Rebellentums? Wo bleibt deren Musik? Der Ethnopop der Kostueme reicht nicht aus, um das Phaenomen in einen groesseren Massstab zu setzen. Die stilisierten Gesten der Akteure sind auch nicht wirklich den Rebellen des Alltags abgeschaut. Irgendwie bleibt dieser Abend zwischen Prometheus und Schuberts „Winterreise“ im dramaturgischen Nirgendwo stecken. Zugegeben, die Verwendung von „Fremd bin ich eingezogen“ mit unterschiedlichem Textmaterial – begleitet von Performern, welche einzelne Zuschauer zur Ruhe legen – sorgt fuer einen anruehrenden Schluss. Man koennte dies als ein Abschiednehmen von der Rebellion verstehen.
Man darf zusammenfassend festhalten, dass die Produktion in ihren visuellen Details durchaus gut gemacht war. Die Ausstattung von Jule Saworski und das Videodesign von Warped Type (Andreas Huck und Roland Nebe) befoerderten die Schaulust.
Die Akteure auf der Buehne boten musikalisch gute Leistungen: Louis Bona an der Viola, Evdoxia Filippou am Schlagwerk, Till Kuenkler an der Posaune, Carola Schaal an der Klarinette, Malgorzata Walentynowicz am Synthesizer sowie Brigitta Muntendorf und Michael Hoeppner. „Songs of Rebellion“ bietet ein paar grosse Gedanken, aber zu wenig Musik. Der rebellische Funke springt dabei nicht auf das Publikum ueber.
Die Zuschauer spenden am Schluss freundlichen Beifall.
Ingo Starz (Athen)