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ATHEN/ Onassis Stegi: „Romáland – Once upon a time, between real and unreal“ von Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris

10.11.2023 | Theater

Onassis Stegi, Athen 

Romáland – Once upon a time, between real and unreal 
Besuchte Vorstellung am 10. November 2023

romk

Romáland für Touristen 

Roma traten zuerst im Südosten Europas auf. Die Communities in den Balkanländern weisen alte Traditionen auf, allein Rumänien hat ca. 1.5 Millionen Roma-Bürger. Überall sind die Roma mit Rassismus, Diskriminierung und Polizeigewalt konfrontiert. Gerade melden griechische Medien, dass erneut ein siebzehnjähriger Rom bei einer Polizeikontrolle unter noch nicht bekannten Umständen erschossen wurde. Es besteht ganz ohne Zweifel Bedarf sich genauer mit dieser Bevölkerungsgruppe auseinanderzusetzen, der so viele Fremdzuschreibungen anhaften. Vor etlichen Jahren entstand ein beeindruckender Dokumentarfilm von Menelaos Karamaghiolis zu diesem Thema. Nun nehmen sich die Regisseure Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris, deren Namen fest mit Dokumentartheater verknüpft sind, in ihrer Arbeit „Romáland“ der griechischen Community an. Der Titel liest sich wie ein Versprechen auf eine theatrale Forschungsreise in ein noch immer zu wenig bekanntes Gebiet.

Die beiden Regisseure haben sich wohl von der noch immer lebendigen oralen Tradition der Roma anregen lassen. Sie präsentieren eine Narration zwischen Realität und Erfindung, die teils an märchenhafte Erzählungen erinnert. Einer der Akteure, Avraam Goutzeloudis, tritt als Moderator und Erzähler in Erscheinung. Eine Kamera begleitet das Geschehen auf der Bühne. Die Ausstattung von Dido Gkogkou gibt eher sparsame Andeutungen dessen, was Romáland auszeichnen mag. Die fünf Akteurinnen und Akteure – neben Goutzeloudis sind dies Theodosia Georgopoulou, Angeliki Evangelopoulou, Melpo Saini und Giorgos Vilanakis – berichten von eigenen Erfahrungen oder erfinden Geschichten. Sie erzählen vom Alltag und dessen Schwierigkeiten, von den oft schlechten Wohnbedingungen, von Ausgrenzung und Polizeigewalt. Die stärkste Geschichte ist die eines bei einer Polizeikontrolle umgekommenen jungen Roma. Was eine Rechtsanwältung in einem Video zu Fall und Prozess sagt, geht unter die Haut. Ansonsten bleibt leider etliches in der schwachen Form und Dramaturgie des Abends auf der Strecke. Selbst der musikalische Part (Panagiotis Manouilidis) sorgt nicht wirklich für starke theatrale Momente oder Einsichten. Das Wissen, welches die Produktion vermittelt, etwa über Geschichte oder Herkunft der Roma, fällt bescheiden aus. Sicher, der flott dahersprechende Goutzeloudis macht gewissen Eindruck und es ist gut zu sehen, dass die Akteure selbstbestimmt und resolut agieren, dem Abend fehlt es aber an Substanz und performativer Kraft. Das „Romáland“ von Azas und Tsinikoris kommt wie ein lauer Fernsehtalk daher oder nimmt sich wie eine touristische Visite in der Nachbarschaft aus. 

Das Publikum im schwach besuchten grossen Saal von Onassis Stegi spendet am Schluss starken Beifall. 

Ingo Starz (Athen)

 

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