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ATHEN/ Onassis Stegi: ONASSIS DANCE DAYS

06.03.2023 | Ballett/Performance

Onassis Stegi, Athen : Onassis Dance Days 

Besuchte Vorstellungen am 4. und 5. März 2023

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Foto: Onassis Stegi

Das Kulturzentrum der Onassis-Stiftung hat sich in den letzten drei Jahren programmatisch neu ausgerichtet. Das ist fraglos von Zeit zu Zeit nötig. Leider hat Onassis Stegi dabei sein klares Profil als Ort künstlerischer Innovation im Bereich der darstellenden Künste zu einem erheblichen Teil eingebüsst. Das Programm wirkt nun etwas zusammengewürfelt, manchmal auf grosse Namen setzend, ein anderes Mal dem Zeitgeist verpflichtet. Immerhin unterstützt das Haus noch immer junge Choreografen mit einer jährlichen Veranstaltung. Der Titel des Festivals hat sich geändert, nicht aber die Intention: Man gibt dem tänzerischen Nachwuchs in Griechenland die Möglichkeit, Werke zu schaffen und hilft bei der Promotion derselben. Vier Choreografien junger Griechinnen werden in dieser Ausgabe von zwei Arbeiten der argentinischen Choreografin Marina Otero sekundiert. 

Beginnen wir mit den Gastspielaufführungen. Die Onassis Dance Days präsentieren zwei Arbeiten der in Madrid lebenden Tänzerin, Choreografin und Theaterregisseurin Marina Otero. In dem Stück „Fuck Me“ erzählt sie von einer Wirbelsäulenoperation und den Herausforderungen der Pandemie. Sie erzählt ihre Geschichte oder erfindet sie. Den Titel erklärt sie dem Publikum mit der durch Krankheit erzwungenen Sexpause. Bevor Otero am Schluss rennend ihre Bahnen auf der Bühne zieht, zeigt sie sich als von Krankheit gezeichnete Frau, die sich nur mühsam und langsam fortbewegen kann. Für den Tanz sorgen darum fünf Männer, die sie uns als ihre Liebhaber verkauft. Man könnte sagen, es ist eigentlich ein Abend über Männlichkeit, über begehrte Objekte, über Soldaten und auch über Missbrauch in Männerzirkeln. Da Otero eingangs von ihrem Grossvater, einem Geheimdienstoffizier während der Militärdiktatur, berichtet, macht dieser Schwenk Sinn. Die verschlungenen Narrative fügen sich zu einer hybriden Realität, die von den Akteuren famous dargeboten wird. Ganz anders schaut „Love Me“ aus, eine Arbeit, die auch eine Leseperformance ist. Otero sitzt schweigend und recht teilnahmslos auf einem Stuhl, während das Publikum auf der hinter ihr befindlichen Leinwand liest, wie die Choreografin immer wieder in Liebessachen scheitert, wie sie sich und andere quält und was das alles mit ihrem Leben und Körper macht. Der vom Leben gezeichnete Körper entkommt schliesslich der mäandernden Erzählung, indem er sich erhebt und tanzt. Der widerständige Körper, der begehrt werden will, triumphiert. Es sind zwei starke Stücke, die Marina Otero dem Athener Publikum präsentiert. 

„Bang Bang Bodies“ von Xenia Koghilaki bringt zwei junge Frau auf die Bühne, die köpfeschwingend ihr langes Haar zum Tanzen bringen. Das Haar erscheint als Attribut von Weiblichkeit, als Instrument der Selbstvergewisserung, der Kommunikation und Verführung. Zwischen Chips und Binde zelebrieren die beiden Körper befreiende Aktionen selbstbewusster Frauen. „bestiaire“ von Nefeli Asteriou widmet sich dem männlichen Blick auf den weiblichen Körper, genauer den animalischen Zuschreibungen. Verspielt aber unscharf zeigt das Solo die Frau als tierisches Wesen, als Katze, Tiger oder Stute. Der Schlussteil präsentiert ganz direkt und mit harten Beats unterlegt den Frauenkörper als Objekt.

„LANDSCAPE“ von Elena Antoniou ist die konzentrierteste und ausgereifteste Arbeit. Das Solo ist auf einem Podest inmitten des Zuschauerraums platziert. Der Tanz folgt den Posen, wie man sie vom Table Dance kennt. Er verlangsamt sie, bringt sie fast zum Stillstand, macht, was auch dem Gesicht der Performerin abzulesen ist, die weibliche Qual hinter dem Posieren spürbar. Es ist kein Striptease, was da geschieht, männliche Schaulust wird nicht befriedigt, sondern hinterfragt. Das Stück dekonstruiert das Verhalten des Zuschauers. „to be possessed“ von Chara Kotsali ist eine recht multimediale, gekonnt umgesetzte Arbeit. Die Künstlerin bietet Reenactments zu eingespielten Interviewauszügen, sie klebt Bilder an eine Wand und sie tanzt. Was Besessenheit ist, wird mehr heiter denn tiefsinning auf der Bühne verhandelt. 

Die Onassis Dance Days zeigen, wie unterschiedlich Tanz daherkommen kann. Das Publikum begegnet dem tanzreichen Wochenende mit viel Enthusiasmus.

Ingo Starz (Athen)

 

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