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ATHEN/ Onassis Stegi: ENTER ACHILLES – Tanzcompagnie „DV8 Physical Theatre“

25.02.2020 | Ballett/Performance


Lloyd Newson: „Enter Achilles“ (3) (c) Miguel Altunaga

Onassis Stegi, Athen: ENTER ACHILLES – Tanzcompagnie „DV8 Physical Theatre“

Besuchte Vorstellung am 24. Februar 2020

Lloyd Newson gruendete seine Tanzcompagnie „DV8 Physical Theatre“ in den 80er jahren in Grossbritannien. 1995 brachte der Choreografer im Rahmen der Wiener Festwochen das Stueck „Enter Achilles“ heraus, das bei Publikum und Kritik auf grosse Zustimmung stiess. Drei Jahre lang tourte die Compagnie mit diesem Werk durch die Welt. Nun bringt eine Koproduktion von Rambert & Sadler’s Wells das beruehmte Stueck zurueck auf die Buehne. Die Premiere der Neufassung fand vor kurzem im oesterreichischen St. Poelten statt. Mit einer Auffuehrungsserie in Onassis Stegi beginnt dessen internationale Tour.

Die Choreografie „Enter Achilles“ ist in einem britischen Pub angesiedelt und blickt auf eine Gruppe von Maennern und deren Verhaltensmuster. Es ist also eine Arbeit ueber Maennlichkeit und eine, die den Blick stark in Richtung Arbeiterklasse lenkt. Newson hat sich von Ian MacNeil eine huebsche, unterlebensgrosse Pubarchitektur auf die Buehne setzen lassen. Die Taenzer wirken darin uebergross und bewegen sich, liesse sich sagen, wie Kinder auf einem Spielplatz. Die Choreografie besteht aus einzelnen Nummern, wo bei sich Theater- und Musikszenen abwechseln. Der Text und die Musik von Adrian Johnston erfuhren, wie man im Nachgespraech mit dem Choreografen hoert, eine Erweiterung gegenueber der Erstfassung. Newsons Werk zeichnet sich durch einen vielschichtigen Zugang aus, der nicht nur das Hordenverhalten mehr oder weniger betrunkener Maenner untersucht, sondern auch Raum fuer individuelle Sehnsuechte und Noete laesst. Es zeigt so den Mann ebenso als Kaempfer, Sexisten, Fussballfan oder Rassisten wie als einsamen Helden und Aussenseiter. Die acht Taenzer verkoerpern eine von Weissen dominierte Gesellschaft, ein Immigrant mit dunklerer Hautfarbe steht sieben ‚Eingeborenen‘ gegenueber. Das junge Ensemble stuerzt sich mit Feuereifer in das Geschehen und zeigt ein breites Repertoire an Bewegungen. Newson verwendet einen komplexen und beeindruckenden taenzerischen Mix aus Modern Dance, klassischem Ballett, Street Dance und Akrobatik. Er entfaltet vor den Augen des Publikums Alltagsszenen aus einem Pub, die durchmischt sind mit Hinweisen auf politische Ereignisse in Grossbritannien. Selbst das Exit-Zeichen an der Wand laesst sich als Kommentar zum nun vollzogenen Brexit verstehen. Fuer die Maenner gibt es allerdings nur kurze Momente, in denen sie dem Pub und dessen Gemeinschaft entfliehen koennen, etwa dann, wenn einer angeblich Zeit mit seiner Freundin verbringt. In diesem Zusammenhang ist die Rahmenerzaehlung des Abends von Bedeutung, weil sie den Mann als schwaches, liebesbeduerftiges Wesen zeigt: So sehen wir zu Beginn einen der Maenner im zaertlichen Spiel mit einer Gummisexpuppe, welche er, was am Schluss herauskommt, wenn die Puppe ‚vergewaltigt‘ und zerstoert wird, als Freundin ausgegeben hat. Die Szenen, welche Verletzlichkeit oder homoerotisch gefaerbte Annaeherungen zeigen, gehoeren zu den staerksten des Abends.

Die Taenzer bieten allesamt grossartige Leistungen, und dies auch in schauspielerischer Hinsicht. Das Programmheft nennt zehn Protagonisten, von denen aber nur acht die jeweilige Auffuehrung bestreiten: Richard Cilli, Tom Davis Dunn, Nelson Earl, Miguel Fiol Duran, Ian Garside, Eddie Hookham, Scott Jennings, Georgios Kostifakis, Jag Popham und John Ross. Die Energie und die Praezision der jungen Akteure machen die Szenen aus einem britischen Pub zu einer eindringlichen, anregenden und unterhaltsamen Lehrstunde in Sachen Maennlichkeit.

Das Publikum feiert das Ensemble am Schluss mit lautstarken Ovationen.

Ingo Starz (Athen)

 

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