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ATHEN/ Onassis Stegi/Athener Konservatorium: TECTONICS FESTIVAL – Klang zwischen Anarchie und Experiment 

03.12.2022 | Konzert/Liederabende

Onassis Stegi / Athener Konservatorium

Tectonics Festival 

Besuchte Konzerte am 3. Dezember 2022

Klang zwischen Anarchie und Experiment 

Seit seinen Anfängen weist das Programm von Onassis Stegi (ehemals Onassis Kulturzentrum) ein interessantes Segment an zeitgenössischer Musik auf. Christos Carras, der sich dafür verantwortlich zeichnet, verknüpft dabei unterschiedliche Genres und verwischt die Grenzen zwischen ernster und populärer Musik. Personelle Veränderungen haben in den letzten drei Jahren zu einer Neuausrichtung von Onassis Stegi geführt. Theater, Tanz und Musik wurden zugunsten transdisziplinärer Formate zurückgefahren, Mainstream und Lifestyle beherrschen nun vermehrt die Szene. Das Tectonics Festival hat diesen Zeitenwechsel gottlob unbeschadet überstanden. An drei Tagen präsentiert es im Athener Konservatorium ungewöhnliche musikalische Formate,  Musik, die zum Abenteuer des Hörens einlädt. 

Tectonics bietet die erfreuliche Möglichkeit, die erst kürzlich fertiggestellten Räumlichkeiten im Untergeschoss des Konservatoriums zu erkunden. Der Abend, es war der zweite des Festivals, beginnt auf der Neuen Bühne, einer einem Tonstudio gleichenden Blackbox. Der Percussionist Enrico Malatesta bringt im Dunkel des Raums die meditative Musik von Éliane Radigue zum Leuchten. Mit deren Komposition „Occam Ocean XXVI“ (2018) demonstriert er, wie sich das Schlagzeug wie ein Streichinstrument mit dem Bogen spielen lässt. Schwebende Klänge erfüllen den Raum. Im Foyer geht es anschliessend mit einer Improvisation weiter. Farida Amadou bearbeitet dabei die elektrische Gitarre mit Schlägen und ungewohnten Handbewegungen. Sie entlockt dem Instrument ungehörten Sound, den sie rhythmisch klar strukturiert. Das Ergebnis ist ein deutlicher und interessanter Kontrast zum zuvor Dargebotenen.

Im Amphitheater Ioannis Despotopoulos – benannt nach den Architekten des Gebäudes – findet danach das Hauptkonzert des Abends statt. Unter der Leitung von Ilan Volkov und unter Mitwirkung von Oren Ambarchi (Electronics) spielt das hiesige Radiosinfonieorchester in unterschiedlichen Formationen auf. Das Werk “Zero Universe” (2013) von Antonis Anissegos konzentriert sich auf die Bläser und führt chaotisch anmutende Soli zu einem strukturellen Ganzen zusammen. Michalis Paraskakis‘ „Kama“ (2016) besticht durch seine originelle Bewegungsführung der Orchesterstimmen. Das Streicherstück “Kanon” (1962) von Krzysztof Penderecki tut das, was man vom gleichnamigem Gesang kennt. Daraus resultiert ein intensives Klangerlebnis. Oren Ambarchi’s “Sous Vide” (2022) erreicht mit Klangschichtungen, der Interaktion von traditionellem Orchester und Electronics interessante Wirkungen. 

Das Konzert musste leider kurz vor Ende abgebrochen werden, da ein Musiker auf dem Podium zusammenbrach. Man wünscht diesem gute Besserung und dem Festival viele weitere Jahrgänge. Die grossartigen Räume des Athener Konservatoriums bieten ideale Voraussetzungen für solche Abenteuer des Hörens. Ein kundiges und dankbares Publikum begleitet Tectonics. 

Ingo Starz (Athen)

 

 

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