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ATHEN/ Onassis Culturale Centre: SINCE SHE

Pinas Stühle

22.12.2018 | Ballett/Performance

Onassis Cultural Centre, Athen

Since She

Besuchte Vorstellung am 18. Dezember 2018

Pinas Stuehle

Dimitris Papaioannou ist ein Star der griechischen Theater- und Tanzszene. Von der bildenden Kunst herkommend, begeistert er seit den 1990er Jahren das Athener Publikum (und natuerlich nicht nur dieses). Seine Arbeit zeichnet sich dadurch aus, das sie sich eben nicht leicht einordnen laesst und darum zum Theater wie zum Tanz gerechnet werden kann. Der Kuenstler ist mit einer grossen Imaginationskraft begabt, welche ihn aus Materialien, Koerpern, Bewegung und Sprache einen ganz eigenen Kosmos entwerfen laesst. Pina Bausch war und ist ein wichtiger Bezugspunkt von Papaioannous Schaffen. Es war darum, mindestens aus griechischer Perspektive, nicht ganz ueberraschend, als man den Kuenstler im vergangenen Jahr nach Wuppertal rief, um dort als erster in die choreographischen Fussstapfen von Pina Bausch zu treten. Der neue Abend des Tanztheaters Wuppertal sorgte schon vor der Premiere fuer internationale Aufmerksamkeit. Und die Produktion wurde, wie es heute ueblich ist, von mehreren Institutionen koproduziert, unter anderem vom Athener Onassis Cultural Centre, wo „New Piece I – Since She“ nun gastiert.

Das wirklich Interessante an diesem Abend ist zu beobachten, wie geglueckt die kuenstlerischen Sprachen der beiden Kuenstler – Pina Bausch und Dimitris Papaioannou – zusammenspielen. Die ueber die Buehne gerueckten Stuehle geben gleich zu Anfang ein starkes Bild ab, bilden gleichzeitig eine deutliche Referenz zum Werk der verstorbenen Choreografin, welche gerne und oft mit diesem Mobiliar gearbeitet hat. Es liesse sich etwa an ihr beruehmtes Stueck „Cafe Mueller“ denken, welches das erste war, welches als Gastspiel in Athen gezeigt wurde. Mehr als dieses Buehnenelement sind es aber Momente der Figurenbehandlung resp. -bewegung und die ueber dem Abend schwebende Ironie, die an Pina erinnern. Das bringt eine erfrischende, neue Note in die Papaioannousche Bildwelt ein. Wie stets ist diese von einem ebenso praezisen wie einfuehlsamen Umgang mit Materialien gepraegt. Neben den Stuehlen faellt besonders ein Berg von Matten ins Auge, welches vom Ensemble in unterschiedlicher Weise bespielt wird, etwas als grosse Rutschflaeche. Daneben kommt dem nackten Koerper eine wichtige Rolle zu, etwa wenn ein Taenzer uns den Kopf einer Frau praesentiert, am Haar gehalten, ohne dass deren schwarz verhuellter Koerper sichtbar waere. Hier ist fraglos der Mythenschreiber Papaioannou am Werke, der uns das Haupt der Medusa in Erinnerung ruft. Die Bewegungen und das Bilderschaffen in diesem Tanztheater vollziehen sich mit grosser Eleganz und in gleichsam rituellen Handlungsablaeufen. Es ist faszinierend, die Abfolge dieser aus Koerperbildern geschaffenen Pathosformeln anzuschauen. Der Abend verbindet Tradition und Erneuerungswillen, ihm gelingt eine eindrucksvolle Hommage an Pina Bausch.

Zum Gelingen von „New Piece I – Since She“ tragen Papaioannous Musikauswahl – von Tom Waits bis Richard Wagner reicht das Spektrum -, das Lichtdesign von Fernando Jacon und der Sound von Andreas Eisenschneider und Karsten Fischer nicht unwesentlich bei. Vor allem sind es aber die Taenzerinnen und Taenzer, die das Publikum mit ihrer Darbietung begeistern: Ruth Amarante, Michael Carter, Ditta Miranda Jasjfi, Scott Jennings, Milan Kampfer, Blanca Noguerol Ramirez, Breanna O’Mara, Franko Schmidt, Azusa Seyama, Ekaterina Shushakova, Julie Anne Stanzak, Oleg Stepanov, Julian Stierle, Michael Strecker Tsai-Wei Tien und Ophelia Young. Das Ensemble liefert die Energie und Praesenz, die das Bildertheater des Griechen am Laufen haelt. Am Ende der rund achtzigminuetigen Auffuehrung gibt es lautstarken Beifall und Bravorufe fuer die Wuppertaler und den Lokalmatadoren.

Ingo Starz

 

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