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ATHEN/ Onassis Cultural Centre: TOM IN GREECE von Michel Marc Bouchards

21.12.2019 | Theater


Cover

Onassis Cultural Centre, Athen: °Tom in Greece“ von Michel Marc Bouchards

Besuchte Vorstellung am 20. Dezember 2019

Griechische Landliebe

Es ist eine Geschichte, die Xavier Dolan zu einem aufregenden Film angeregt hat. Michel Marc Bouchards Theaterstueck „Tom a la ferme“ erzaehlt von dem jungen Werbetexter Tom der zur Beerdigung seines mit nur 25 Jahren verstorbenen Partners Guillaume aufs Land reist. Guillaumes Bruder Francis weist diesen an, nichts von seiner homosexuellen Verbindung zu berichten. Zwischen den beiden Maennern kommt es mehr und mehr zu Spannungen, es entwickelt sich eine Art sado-masochistisches Verhaeltnis, dem Tom schliesslich zum Opfer faellt. Theaterstueck und Film sind in Kanada angesiedelt. Insbesondere Dolans Thriller setzt die Geschichte in faszinierender Weise um. Mit der Athener Auffuehrung des Stuecks aendern sich auch Setting und Titel. Nun geht es um „Tom in Greece“.

Der in Wien und Athen lebende Regisseur Sarantos Georgios Zervoulakos versetzt die Geschichte nach Griechenland, wo Homosexuelle auf dem Land bis heute ihre Schwierigkeiten haben. Die Umsiedlung funktioniert an sich ganz gut, die etwas betuliche Herangehensweise des Regisseurs glaettet allerdings mehr die Spannungswogen als dem Stueck gut tut. Im Zentrum des von Tina Tzoka entworfenen Buehnenraums steht Toms Auto. Dieses liefert ein interessantes Bild, welches auf den Einbruch eines Fremden in die scheinbare Landidylle und dessen Bleibenmuessen – da Francis den Wagen zerlegt – verweist. Die Folter, welche Tom durch Francis (oder Franco in der griechischen Version) wiederholt erfaehrt, verdichtet sich in einem finalen Bild, in welchem die Titelfigur auf den Wagen gespannt ist, in eindruecklicher Weise. Die Personenfuehrung Zervoulakos‘ laesst das Geschehen aber desoefteren zur Komoedie geraten, in welcher zu grosse Gesten und zu wenig Feinzeichnung vorherrschen. Was Homosexualitaet auf dem griechischen Land bedeutet, erschliesst sich nicht. Auch bleibt die Hauptfigur inszenatorisch vage: Wer ist dieser Tom? Was treibt ihn an? Diese Fragen werden nicht beantwortet resp. Tom bleibt unerklaert. Von einem Thriller, als welcher der Film bezeichnet werden kann, ist diese Auffuehrung weit entfernt.


Copyright: Pinelopi Gerasimou.jpg

Antonis Primikyris als Tom bleibt blass in seiner Rolle und vermag der Handlungsentwicklung nicht hinreichend Impulse zu geben. Viel interessanter ist da Lefteris Polychronis als Francis, Bruder des Verstorbenen. Seine facettenreiche Darstellung der Rolle, die zweifelsohne die vielschichtigste des Werks ist, rueckt ins Zentrum des Abends. Francis‘ dunkles Geheimnis, dass er einst einem jungen Freund seines Bruders das Gesicht entstellte, ist bei Polychronis gut aufgehoben. Renia Louizidou als Mutter Agathe gewinnt im Laufe der Auffuehrung an Kontur, waehrend Eva Maria Sommersberg als Sara, eine Freundin des Verstorbenen, die der Mutter als dessen Partnerin verkauft wird, doch ein wenig als Fremdkoerper, welcher Griechisch, Deutsch und Franzoesisch spricht, erscheint. Dass Saras Praesenz ausgeweitet wurde und diese auch die einzelnen Szenen ansagt, macht die Sache nicht besser oder interessanter.

Unter dem Strich ist von einer zu nett und unverbindlich geratenen Inszenierung von Michel Marc Bouchards Drama zu berichten.

Das Publikum spendet starken Beifall.

 

Ingo Starz (Athen)

 

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