Onassis Cultural Centre, Athen, im Nationaltheater
Fast Forward Festival
Trapped
Besuchte Vorstellung am 13. Mai 2018
Wiedergängerin der Antike
Griechenland wurde später als Italien zum Sehnsuchtsreiseland der Künstler und Denker. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereisten neben anderen Gerhart Hauptmann und Hugo von Hofmannsthal das Land. Beide verfassten Reiseberichte, die sich als eine Art künstlerische Selbstvergewisserung lesen lassen. Die Tänzerin und Choreografin Isadora Duncan ging einen Schritt weiter: Sie studierte nicht nur die Überreste der Antike, sie performte sie auch gleich noch. Die Amerikanerin wurde berühmt mit ihrem auf antiken Körperbildern basierten Ausdruckstanz. Duncan trat in den europäischen Metropolen auf und besuchte Athen in den Jahren 1903 und 1915. Die Choreografin Medie Megas hat über längere Zeit zu diesen Griechenlandaufenthalten recherchiert. Nun präsentierte sie im Rahmen des Onassis Fast Forward Festivals die Resultate ihrer Beschãftigung mit Duncans Athener Zeit als zweistündige Performance.
Medie Megas‘ Arbeit ist klar strukturiert und gibt sich überwiegend dokumentarisch, entwickelt aber wenig Imaginationskraft. Die Aufführung startet in einem Saal des Nationaltheaters, wo wir Biografisches über die Ausdruckstänzerin, Angaben zu deren Aufenthalt im Jahr 1903, Details von einem Sprachenstreit, der sich damals um eine Aufführung der „Orestie“ entzündete, und Berichte über einen Auftritt der Duncan im Nationaltheater vermittelt bekommen. Der Inhalt wird erzählt und in Bewegungssequenzen veranschaulicht. In einem zweiten Teil werden die Zuschauer in Gruppen zu verschiedenen Orten im Haus geführt, was einzig den Zweck hat, Detailergebnisse der Recherche zu präsentieren. Dann kehrt man in den Saal zurück, wo man nun an gedeckten Tischen Platz nimmt. Das Publikum lauscht bei Wein und Käsegebäck der Geschichte von Isadora Duncans Athenbesuch im Jahr 1915. Zu dieser Zeit tut sich im Land ein politischer Graben auf zwischen dem Premierminister Venezelos, der sich im laufenden Weltkrieg auf die Seite der Allierten schlagen will, und dem König, der auf Neutralität pocht – nicht zuletzt wegen seiner preussischen Gattin. Die Tänzerin gab sich, wie überliefert ist, bei einem Dinner als glühende Anhängerin Frankreichs zu erkennen.
Im letzten Teil des Projekts wird im Aussenraum Anlauf zur Errichtung eines Denkmals für die Amerikanerin unternommen. Die einzelnen Komponenten der Performance fügen sich ganz gut zusammen, der Abend gewinnt aber wenig Zugkraft. Die Seitenblicke auf politische Ereignisse können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Isadoras Duncans Bedeutung für Athen recht in Grenzen hält. Die Tänzerin ist nicht der ideale Brennspiegel, um Fragen der griechischen Identität und Geschichte zu diskutieren. So wirkt der Abend auch etwas bemüht.
Bei der Strukturierung des Materials wurde Medie Megas von Kate Adams unterstützt, die als Dramaturgin und Akteurin fungiert. Weiterhin sind als Performerinnen und Performer zu nennen: Antonis Antonopoulos, Yorgos Valais, Zoi Dimitriou, Menti Mega, Alexia Beziki, Katerina Bella und Periklis Skordilis. Das Setdesign stammt von Maro Michalakakos, die Musik von Chrysanthos Christodoulou.
Die Beteiligten leisten gute Arbeit, das Publikum fühlt sich unterhalten und informiert. Das Projekt „Trapped“ bleibt aber zu sehr im Material gefangen und bietet zu wenig starke Tanzbilder, um aufregend über die Rampe zu kommen. Freundlicher Beifall.
Ingo Starz (Athen)