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ATHEN/ Onassis Cultural Centre. DICHTERLIEBE – Liederabend Giorgios Kanaris. Griechische Dichternöte

22.01.2017 | Konzert/Liederabende

Onassis Cultural Centre, Athen: Liederabend: Dichterliebe

Konzert am 22. Januar 2017

Griechische Dichternöte

 Robert Schumanns 1840 entstandener Liederzyklus „Dichterliebe“ nachTexten von Heinrich Heine steht wahrlich nicht selten auf den Konzertprogrammen. Jeder Sänger, der sich diesem Werk stellt, muss sich in unserem technischen Zeitalter Vergleichen mit Sängergrössen wie Dietrich Fischer-Dieskau, Fritz Wunderlich oder Gérard Souzay stellen. Ungewöhnlich an dem Athener Konzert ist also nicht das Programm, sondern vielmehr die Tatsache, dass man im Rahmen eines vom Onassis Cultural Centre präsentierten „Hellenic Projects“ die Lieder in griechischer Übersetzung aufführen lässt. Der erfahrene Übersetzer Dionyssis Kapsalis hat fraglos gute Arbeit geleistet. Nun ist es eines, Heine zu übersetzen, und ein anderes, die Übertragung mit der subtilen Struktur von Schumanns Musik zu verknüpfen. So bleibt tatsächlich die Frage, ob es wirklich der eigenen Sprache bedarf, um das Werk einem griechischen Publikum näher zu bringen. Man ist geneigt, dies zu verneinen, zumal erfahrbar ist, dass sich Musik und griechischer Text nicht immer im selben Ton zusammenfinden. Ein nützliches Experiment mag es sein, interessanter ist letztlich aber die Begegnung mit dem griechischen Bariton Giorgios Kanaris, der vom Pianisten Peter Bortfeldt begleitet wird.

 Der Bariton Giorgios Kanaris erhielt seine Gesangsausbildung unter anderem bei Josef Metternich in München. Er durfte mehrere Auszeichnungen entgegennehmen – so wurde ihm 2005 beim Grand Prix Maria Callas die Sonderehrung in der Kategorie Oratorium/Lied zuteil. Seit der Saison 2009/10 ist er Ensemblemitglied am Theater Bonn. Dort war er etwas als Papageno in Mozarts „Zauberflöte“, als Figaro in Rossinis „Barbiere“ oder als Don Fernando in Beethovens „Fidelio“ zu erleben. Zu seinem Repertoire als Liedsänger gehören Schuberts Zyklen „Schwanengesang“, „Winterreise“ und „Die schöne Müllerin“ sowie Ravels „Don Quixotte“ und Lieder von Strauss und Pfitzner. Und dann singt Kanaris eben auch Schumanns „Dichterliebe“.

 Bei seinem Athener Auftritt wusste der Bariton mit seiner klangschönen, frei strömenden Stimme das Publikum für sich einzunehmen. Der Ton war stets im Fokus und konnte sich in Liedern wie „Im Rhein, im heiligen Strome“ oder „Ich hab‘ im Traum geweinet“ differenziert entfalten. Da und dort hätte man sich ein Mehr an Artikulation gewünscht – etwa um Heines Ironie in „Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne“ spürbar werden zu lassen. Freilich mag in diesem Fall auch das Griechische etwas im Weg gestanden haben. Eindrücklich der Vortrag der beiden letzten Lieder, die zu sehr plastisch gezeichneten Miniaturen geraten. Dass der Zyklus um zwei vom Komponisten ausgesonderte Lieder angereichert war, erwies sich als willkommene Zugabe. Wenig Sinn machte es allerdings, dass man nach der Pause eine halbe „Winterreise“, also 12 der 24 Lieder, präsentierte. Die Dramaturgie und damit auch die innere Spannung des Werks war dahin, auch wenn Kanaris schöne Momente setzen konnte – beispielsweise mit „Der Lindenbaum“. Die gesamte „Winterreise“ von Schubert wurde letztes Jahr in griechischer Sprache aufgeführt. Die gerupfte Fassung hätte man nun dem Publikum besser erspart. Am Ende gab es starken Beifall für den Sänger und seinen ebenso zuverlässigen wie zurückhaltenden Begleiter Peter Bortfeldt.

 Ingo Starz

 

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