Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN( Onassis Cultural Center: A QUIET EVENING OF DANCE

Vermessung bewegter Koerperraeume

11.02.2019 | Ballett/Tanz


Copyright: Onassis Cultural Centre

Onassis Cultural Centre, Athen: A Quiet Evening of Dance

Besuchte Vorstellung am 10. Februar 2019

Vermessung bewegter Koerperraeume

William Forsythe hat Tanzgeschichte geschrieben. In seinen Jahren in Stuttgart und Frankfurt hat er eine eigenstaendige Sprache des Tanzes entwickelt. Sein Interesse gilt den Grundprinzipien menschlicher Bewegung und deren Spuren im Raum. Wie kaum ein anderer Choreograph entwickelte er eine kuenstlerische Recherche – um nicht zu sagen Forschung – zum Tanz. Neben seinen Buehnenwerken schuf und schafft er Installationen sowie Filme und macht das gewonnene Wissen im Internet verfuegbar. Nun ist ein neues Projekt von Forsythe zu bestaunen, ein Tanzabend, der zwei neue Arbeiten – „Epilogue“ und „Seventeen/Twenty One“ – mit zwei Neufassungen aelterer Werke – „Dialogue (DUO2015)“ und „Catalogue“ – verbindet. Das Ergebnis ist ein dichtgefuegtes, intensives Tanzerlebnis.

Der Tanzabend „A Quiet Evening of Dance“ zeichnet sich dadurch aus, dass seine einzelnen Teile praktisch vollstaendig im Ganzen aufgehen. Sicher gibt es Unterschiede in Bewegungssprache und Musik, die einzelnen Abschnitte sind aber letztlich einer uebergreifenden Betrachtungsweise untergeordnet, welche die Motorik des Koerpers und die Bewegungsfuehrung im Raum in den Fokus nimmt. Das Geschehen auf der Buehne entwickelt dabei einen mitreissenden Sog, der die Zuschauer gleichsam zu Zeugen experimentell und improvisiert anmutender Handlungen macht. Da werden die Koerper der Taenzer auf den Pruefstand gestellt, ihr Atem und die Geraeusche ihrer Bewegungen mittels Mikrophonen akustisch erfahrbar gemacht. Der Tanz wird als Bewegung im Raum untersucht, wobei es vom unmittelbaren Umraum der Koerper hinein in den Buehnenraum geht. Oder es wird zu Musik von Jean-Philippe Rameau ueber Rhythmus und Eigenlogik taenzerischer Bewegung nachgedacht, In der Tat offenbaren Forsythes Arbeiten ein tiefes Nachdenken ueber Tanz, welches die Beteiligten auf der Buehne zu nicht nur ausfuehrenden, sondern eben auch denkenden Geschoepfen macht. „A Quiet Evening of Dance“ ist eine ebenso analytische wie lustvolle Lehrstunde, ein von Details ueberbordendes Gesamtkunstwerk. Wie Forsythe diesen gelehrten Abend leichtfuessig und humorvoll choreographiert, verdient in der Tat Bewunderung.


Copyright: Onassis Cultural Centre

Natuerlich ist es nicht allein der Choreograph, der das Publikum in Staunen versetzt. Es ist ebenso sein grossartiges Ensemble. Cyril Baldy, Brigel Gjoka, Jill Johnson, Christopher Roman, Parvaneh Scharafali, Riley Watts und Rauf ‚RubbertLegz‘ Yasit zeigen exzellente Leistungen. Sie setzen noch die kleinsten Bewegungsdetails mit aeusserster Praezision um, ihre vor Energie geladenen Koerper zeichnen Bilder voll Natuerlichkeit und Anmut in den Raum. Als Zuschauer kommt man so aus dem Staunen nicht heraus. Zum grossartigen Eindruck dieses Abends tragen ferner das Lichtdesign von Tanja Ruehl & William Forsythe, die Kostueme von Dorothee Merg & William Forsythe (welche einer Farbenlehre entsprungen sein koennten) sowie der Sound von Niels Lanz bei. Der Choreograph William Forsythe beweist einmal mehr, dass Tanz mehr als die Illustration einer Geschichte oder von Musik sein kann. Sein Tanz schafft Energiefelder, in denen die Koerper gleichsam zu explodieren scheinen.

Das Publikum im ausverkauften Onassis Cultural Centre war hingerissen und feierte das Ensemble mit lautstarken Ovationen.

 

Ingo Starz

 

Diese Seite drucken