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ATHEN/ Onassis Centre: CLEAN. Putzfrauen, ganz putzig

15.02.2016 | Operette/Musical

Onassis Cultural Centre, Athen: Clean City

Premiere am 3. Februar, besuchte Vorstellung am 14.2.2016

 Putzfrauen, ganz putzig

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 Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris sind Wanderer zwischen den Welten – oder zumindest Reisende zwischen Griechenland und Deutschland. Und in der Nachfolge von Rimini Protokoll bringen sie dokumentarisches Theater in Griechenland auf die Bühne. Seit letzten Herbst sind sie am Nationaltheater in Athen tätig, wo sie eine „experimentelle Bühne“ ins Leben gerufen haben. Dort sollen Theaterleute neue und unterschiedliche Theaterformen erproben. Das ist fraglos eine wichtige und gute Sache für die Athener Theaterszene. Schaut man sich nun die jüngste Produktion von Azas und Tsinikoris an, könnte man allerdings meinen, Sie hätten das Experimentelle im Nationaltheater zurückgelassen.

 Auf der Basis ausführlicher Interviews mit den fünf Protagonistinnen hat das Regie-Duo eine flotte Szenenfolge auf die kleine Bühne des Onassis Cultural Centre gebracht. Was der Zuschauer aus den Erzählungen erfährt, ist oftmals wenig überraschend und bleibt zu anekdotisch. Sicher, es werden wichtige Fragen angeschnitten, etwa diejenige nach einem Aufenthalt ohne Bewilligung oder der Gewalt von Rechtsextremen gegen Ausländer. Der Versuch aber, Reinigungskräfte und rechte Saubermänner doppelsinnig – „Clean City“ – zu verknüpfen, gelingt nicht. Was man zu den Klängen von Carmens „Habanera“ als projizierten Text zu den Saubermännern vorgesetzt bekommt, wird dem komplexen Thema nicht gerecht. Auch in der Darstellung der Arbeitswelten sind Bühnenbild (Eleni Stroulia) und Videos (Nikos Pastras) nicht dazu angetan, tiefere Einblicke in das Thema zu gewähren. Das szenische Arrangement kleiner, kammerartiger Räume wirkt allzu putzig, um nicht zu sagen harmlos. Überhaupt wird, und dies ist ein gewichtiger Einwand, zu wenig und vage von den Arbeitsbedingungen gesprochen. Eher sind Immigrantengeschichten zu hören, wie man sie schon packender und verstörender erleben konnte. Ja, um Immigration geht es natürlich auch, aber eben nicht nur.

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 Der grosse Pluspunkt der Aufführung ist die sehr gute Interaktion der Protagonistinnen (Mabel Mosana, Rositsa Pandalieva, Fredalyn Resurreccion, Drita Shehi, Valentina Ursache) – miteinander und mit dem Publikum. Wie sie einander zuhören, erzählen, singen und tanzen sowie sich immer wieder die Bälle zuspielen, das weiss zu gefallen. Ihre unterschiedlichen Charaktere und Ausdrucksweisen ergänzen sich dabei gut. So bilden die fünf Frauen ein schillerndes Ensemble in einer Bühnenerzählung, die etwas an eine Nummernrevue erinnert. Das könnte als Stück durchaus überzeugen, wenn es neben den gelungenen Showeinlagen mehr inhaltliche Tiefenschärfe bieten würde.

 Ingo Starz

 

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