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ATHEN/ Olympia -Städtisches Musiktheater „Maria Callas“: VIVA ITALIA: A POSTO & BEST REGARDS

25.02.2023 | Ballett/Performance

Olympia – Städtisches Musiktheater „Maria Callas“, Athen 

Viva Italia: A Posto & Best Regards

Besuchte Vorstellungen am 22. und 24. Februar 2023

Persönliche Begegnungen 

 

Das Programm des Athener Olympia-Theaters weist wenig Tanz auf. Und das was man jüngst zu sehen bekam, gehörte nicht zum Interessantesten, was die Szene aufzuweisen hat. Insofern ist es sehr erfreulich, dass mit grosszügiger Unterstützung der Italienischen Botschaft eine Reihe von international gefeierten Theater- und Tanzproduktionen aus dem mediterranen Nachbarland in Athen präsentiert werden kann. Es begann mit zwei Tanzproduktionen der renommierten Choreografen Ambra Senatore und Marco D’Agostin, die zeigen, was aktuell in der Tanzszene verhandelt wird. 

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In ihrem Stück „A Posto“ widmet sich Ambra Senatore den Beziehungen dreier junger Frauen. Auf der Bühne finden nur wenige Requisiten Verwendung. Eingespielter Sound macht deutlich, dass wir uns wohl in einem Park befinden. Man hört Vogelgezwitscher, Stimmengewirr und Musik. Die drei Tänzerinnen Caterina Basso, Claudia Catarzi und Ambra Senatore beschwören mit leicht in den Raum gesetzten, fliessenden und oft verspielt anmutenden Bewegungen ein Gartenidyll. Die Beziehung der Drei scheint ungefährdet, sie tauschen sich aus, necken einander. Man findet sich schliesslich zum Picknick zusammen. Dann aber, und der einstündige Abend ist schon fast vorüber, kippt die Stimmung. Das heiter-gelöste Ambiente weicht einer absurden, beinahe gewalttätigen Szenerie. Eine der Frauen verliert ihren Haarschopf, eine andere ihre Hand. Das Idyll mutiert zum Albtraum und zeigt, was alles unter einer harmonisch daherkommenden Oberfläche brodeln kann. Den drei Frauen gelingt es, den überraschenden Wechsel überzeugend in Körperbilder zu übersetzen. Ein anregendes Tanzstück.

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Marco D’Agostins Choreografie „Best Regards“, ein Solo des Schöpfers, ist eine Hommage an dessen verstorbenen Lehrer Nigel Charnock, Mitbegründer des britischen DV8 Physical Theatre, aber auch an die Kraft des körperlichen Ausdrucks. Angeregt durch einen von Wendy Houstoun verfassten Abschiedsbrief an Charnock kommt das Stück als eine Art Brief daher, ein Brief an jemand, der nicht mehr antworten kann. Im ersten Teil geht es um das Briefeschreiben und der Choreograf erzählt davon. Das Reden zum Publikum löst sich schliesslich in alltäglich anmutende Bewegung auf. Tänzerische Formen markieren existenzielle Lebenserfahrung oder zeigen vielmehr, wie sich das Leben in den Körper eingeschrieben hat. „Dear N., you were too much“, heisst es in Houstouns Brief und das Geschriebene wird buchstäblich spürbar auf der Bühne, die ein wenig einem Laufsteg gleicht. Wie macht man den Verlust eines Menschen körperhaft, der in einem, im Verhältnis zum eigenen Körper fortlebt zur Performance? Dieser Frage stellt sich D’Agostin auf eindrückliche Weise. Es ist eine Choreografie, die berührt, zumal wenn sie im Gesang ausklingt: Zeilen des genannten Abschiedsbriefs werden erst vom Performer, dann vom Publikum gesungen.

Das Theater ist an beiden Abenden nicht eben gut besucht. Das Publikum ist angetan von „A Posto“ und ziemlich begeistert von „Best Regards“.

Ingo Starz (Athen)

 

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