Olympia – Städtisches Musiktheater „Maria Callas“, Athen
Athens Philharmonia Orchestra: Medgé
Besuchte Vorstellung am 17. Februar 2024
Verblasste Schönheit
Das Athener Olympia-Theater hat sich unter der Leitung des scheidenden Direktors Olivier Descotes immer auch der Wiederentdeckung griechischer Opern und Operetten gewidmet. Bei solchen Ausgrabungen stellt sich immer die Frage, ob sich der Aufwand wirklich lohnt. Sicher, griechisches Musiktheater kann helfen, neue Publikumsschichten zu gewinnen oder einfach mehr Leute anzuziehen. Gleichwohl spielt die Qualität der Werke eine entscheidende Rolle. Und da muss man leider sagen, dass es von griechischen Komponisten vergangener Epochen wohl nicht viel zu entdecken gibt. Die Gründe, warum eine Oper wie die im Jahr 1888 in Rom uraufgeführte „Medgé“ von Spyridon Samaras vergessen ist, liegen bei näherer Betrachtung auf der Hand. Die Musik weist zwar ein paar hübsche melodische Einfälle auf, es mangelt ihr aber entschieden an komplexer Gestaltungskraft, an orchestraler Fülle und dramatischem Formsinn. Sicher, der Dirigent Byron Fidetzis hat die verloren gegangene Instrumentierung des Werks rekonstruiert. Man darf annehmen, dass er als Samaras-Kenner eine Lösung nahe am Original gefunden hat. Das was man in der Konzertdarbietung zu hören bekommt, bietet wenig an Klangfarben und orchestraler Dramatik. Hinzu kommt eine Handlung, die dem Exotismus des späten 19. Jahrhunderts fröhnt und im fernen Indien eine Liebes-, Eifersuchts- und Verratsgeschichte entfaltet, die auf ein heutiges Publikum keine grosse Wirkung mehr zu entfalten vermag. Leider muss man sagen, dass „Medgé“ zu Recht vergessen ist.
Byron Fidetzis am Pult des Athens Philharmonia Orchestra tut sein Bestes, der altbacken daherkommenden Oper neues Leben einzuhauchen. Es sind etwa gute Bläserleistungen zu hören, besonders im zweiten Akt. Allein, die Musik vermag nicht zu faszinieren. Am musikalisch dichtesten ist noch der kurze dritte Akt, der ein wenig von dem dramatischen Konflikt und dem Gefühlsleben der Figuren zu vermitteln mag. Der Städtische Chor, einstudiert von Stavros Beris ist weit hinten platziert und ertönt verstãrkt. Leider stimmt die Klang- und Lautstärkebalance nicht immer, d.h. der Chor kommt bisweilen zu schwach und undifferenziert über die Rampe. Von den Solisten gefällt insbesondere der Tenor Konstantinos Klironomos als Nair. Der Komponist treibt die Tenorstimme oft und gerne zu Spitzentönen. Und Klironomos meistert dies sehr gut. Daneben findet er auch zu ausdrucksvoller Phrasierung. Es gibt auch sonst nicht wirklich etwas an der Sängerbesetzung auszusetzen. Lucie Peyramaure als lyrische Medgé, Héloïse Mas als dramatische Vazanta, Dimitri Platanias als mächtig auftrumpfender Selim, Tasos Apostolou als Kadur und Florent Leroux-Roche als Amgiad zeigen gute Leistungen. Allein, gute Sänger machen noch keine gute Oper. Die dreistündige Konzertaufführung mag lehrreich sein, bewegend ist sie nicht.
Am Schluss gibt es sehr freundlichen Beifall für die Beteiligten und ein paar Bravorufe für die Sänger.
Ingo Starz (Athen)