Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN/ Odeion des Herodes Attikus: DIE PERSER von Aischylos

11.09.2022 | Theater

Odeion des Herodes Attikus 

Die Perser. Eine Produktion des Athens Epidaurus Festival 
Besuchte Vorstellung am 10. September 2022

Eine wankende Gesellschaft 

pers
Copyright: Stavros Habakis

Das Athens Epidaurus Festival präsentierte vor einigen Wochen Aischylos‘ Tragödie „Die Perser“ im antiken Theater von Epidauros. Inszeniert wurde das Stück von dem jungen Regisseur Dimitris Karantzas, der in den letzten Jahren schon einigen Erfolg in Griechenland verbuchen konnte. Wie so oft, konnten die Athener nun nach der Sommerpause an zwei Abenden den Klassiker im Odeion des Herodes Attikus anschauen. Vermochte es Karantzas, einen frischen Blick auf Aischylos‘ „Perser“ zu werfen?

Das Beste ereignet sich an diesem Abend am Schluss, als sich das gesamte Bühnenpersonal zu einem Knäuel zusammenfügt und den Herrscher Xerxes umschliesst und mit sich reisst. Eine in ihren Grundfesten wankende Gesellschaft wird da sichtbar, die ohne Ziel dahintreibt. Das ist ein starkes Bild, das treffend eine Nachkriegszeit beschreibt. Dann macht es auch Sinn, das Karantzas das Ensemble um vierzig Laien aufgestockt hat, die neben Solisten und Chor in Erscheinung treten. Vor dem bemerkenswerten Schlussbild treibt leider die Inszenierung, die im Hier und Heute angesiedelt ist, etwas ziellos dahin. Distanz wird häufig sichtbar gemacht, insbesondere zwischen Atossa und dem Chor. Von einer interessanten Chorführung kann dabei kaum die Rede sein. Die Szene, wo der verstorbene Darius für einen Moment ins Leben zurückkehrt, wird als Idylle ins Bild gesetzt: Atossa sitzt mit ihrem Gatten vom Publikum abgewandt auf einer Bank. Beide reden im Plauderton. Das schaut hübsch aus, generiert aber nicht wirklich tieferen Sinn. Das generelle Problem der Inszenierung ist, dass sie dazu neigt, in einzelne Bilder, in mehr oder weniger gute Regieeinfälle zu verfallen. Das Schlussbild hängt darum leider in der Luft. Bezüge zu aktuellen politischen Ereignissen stellt Karantzas nicht her. Im Ergebnis ist die Aufführung bis auf die letzten Minuten recht blutleer.

persa
Copyright: Stavros Habakis

Die professionellen Akteure auf der Bühne gelangen nur momenthaft zu kraftvoller Erscheinung. Reni Pittaki als Atossa wirkt ein wenig verloren, wenn sie den Chor gegenübertritt und gewinnt nur vage Konturen. Christos Loulis ist ein sprachlich überzeugender Bote, Giorgos Gallos ein allzu unauffälliger Darius, der wie beschrieben eher im Hintergrund bleibt. Michalis Ikonomou darf mit kraftvoller, beinahe ekstatisch-verzweifelter Rhetorik auftreten. Das Zusammenspiel mit dem aufgestockten Ensemble funktioniert in seinem Fall sehr gut: Verlorenheit beherrscht die Szene und beendet die Aufführung in positivem Sinne mit einem grossen Fragezeichen. 

Das Publikum dankt allen Beteiligten mit viel Applaus und einzelnen Bravorufen für den Regisseur. 

Ingo Starz (Athen)

 

Diese Seite drucken