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ATHEN/ Odeion des Herodes Attikus: DIE BAKCHEN von Euripides. Dionysos auf dem Spielplatz

04.09.2020 | Theater


Foto: Odeion

Odeion des Herodes Attikus, Athen

DIE BAKCHEN von Euripides

Vorstellung am 3. September 2020

Dionysos auf dem Spielplatz

Euripides` Tragödie „Die Bakchen“ zählt zu den häufiger gespielten antiken Stücken auf europäischen Bühnen. Ganz einfach ist es nicht, das Drama um versäumten Kult in Theben, orgiastische Verehrung der Gottheit Dionysos und strafende Tötung des Herrschers unserer heutigen Lebenswelt nahe zu bringen. Da stellt sich sofort die Frage, wie man den Anspruch der Religion als Institution bewerten soll und wo Willkür und Macht zu verorten sind. Ist die ewige Lust, für welche Dionysos stehen mag, eher Glücksversprechen oder Last? Im Zuge des sommerlichen Reigens an Freilichtaufführungen kamen nun „Die Bakchen“ in einer Koproduktion mit dem Regionalen Theater in Kozani ins Odeion des Herodes Attikus.

Der Bühnenbildner Aristotelis Karananos hat einen Spielplatz mit Schaukel, Rutschbahn, Sitzbänken und anderen Gerätschaften auf die Bühne gestellt, der die Erwartung wecken mag, dass dies der Ort der wilden Mädchen sei. Die Kostüme von Alexandra Siafkou unterstreichen die Kinderwelt und fügen etwas Clowneskes hinzu. Sobald sich die Verehrerinnen der Gottheit auf der Bühne tummeln, stellt man jedoch fest, dass von Wildheit kaum die Rede sein kann. Der Regisseur Christos Sougaris lässt die Bakchen reichlich harmlos agieren, so dass sie weder szenisch noch stimmlich ein Gefühl von orgiastischem Treiben vermitteln können. Wohin also soll der Kindheitsbezug führen? Wenn es um verdrängte Triebe ginge, müsste sich diese irgendwo Bahn brechen. Davon ist aber auf der Bühne nichts zu sehen. Das Geschehen plätschert gemächlich dahin, der Auftakt mit dem nackt auftretenden Dionysos – er erscheint als Mensch in Theben – ist noch der sinnlichste Moment. Die Musik von Stefanos Korkolis, der die Aufführung am Klavier begleitet, vertut ebenfalls die Chance, der Handlung durch Klang mehr irrsinnige und wütende Lust zuzuführen. Es ist klingt mehr oder weniger wie immer auf griechischen Bühnen. 

Um die schauspielerischen Leistungen ist es leider auch nicht zum Besten bestellt. Der zum Deklamieren neigende Sprechstil, welcher in Griechenland der übliche ist für Aufführungen antiker Werke, kam mit unterschiedlichem Erfolg zum Einsatz. Einzig der Pentheus von Stathis Koikas gab ein interessantes Rollenporträt, eben weil er das Deklamieren hinter sich liess. Er gab dem thebanischen Herrscher ein menschliches, staunendes Antlitz. Daneben blieben die anderen Darstellerinnen und Darsteller blass. Der Dionysos von Giorgos Kopsidas liess es stimmlich und szenisch an Ausdruck vermissen, Nikos Kardonis als Teiresias, Dimitris Imellos als Kadmos und Niki Sereti als Agaue kamen zumindest ihren deklamatorischen Pflichten nach. Und die Darstellerinnen der Bakchen? Sie erinnerten eher an Hausfrauen, die ohne Männer ausgehen, als an das, was ihr Name verspricht. Die Aufführung vermittelte leider nur einen schwachen Eindruck von Euripides` Tragödie.

Das Publikum spendete am Schluss sehr freundlichen Applaus.

Ingo Starz (Athen)

 

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