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ATHEN/ Nationaltheater: DER MANN, DER LACHT von Theodore Abazis

12.05.2019 | Operette/Musical


Foto: Nationaltheater

Griechisches Nationaltheater, Athen

Der Mann, der lacht

Besuchte Vorstellung am 11. Mai 2019

Das Griechische Nationaltheater hat sich zum Ende der Athener Saison einen Roman von Victor Hugo vorgenommen: „Der Mann, der lacht“. Der Komponist und Regisseur Theodore Abazis bringt die im England des späten 17. Jahrhunderts spielende Geschichte vom Edelmann Gwynplaine als Musical auf die Buehne. Die Adaption bleibt nah an der Vorlage, lediglich einige aus dem Off kommende Kommentare sind offenkundig hinzugefügt. Diese Texteinschübe dienen dazu, die Geschichte zu vergegenwärtigen, ihre Aktualität herauszustreichen. Ansonsten folgt man dem Erzählstrang Hugos: Das Publikum sieht Gwynplaine, dessen Gesicht wegen eines Racheakts zu einem irren Grinsen verunstaltet ist, in den Diensten des Schaustellers Ursus. Er erlebt wie der Held zwischen zwei Frauen, der Herzogin Josiana und der armen, blinden Dea, hin- und hergerissen ist. Das klassische Motiv von einem Mann, der sich zwischen einer Heiligen und einer Hure zu entscheiden hat, wird in der Figurenkonstellation sichtbar. Trotz seiner adligen Abkunft und dem Wunsch der Queen, ihn durch eine Heirat mit Josiana zu rehabilitieren, entscheidet sich Gwynplaine schliesslich für Dea. Im Gegensatz zur Buchvorlage kommt das Paar nicht während eines Fluchtversuchs ums Leben. In der Theaterfassung erringen Gwynplaine und Dea den ‚moralischen‘ Sieg, eben weil sie am Leben bleiben.

Theodore Abazis erzählt die Geschichte linear in einer durchaus geschickten Zusammenstellung von Szenen. Das Bühnenbild von Konstantinos Zamanis und die Kostüme von Niki Psychogiou dürften der Epoche Victor Hugos näher stehen als dem späten 17. Jahrhunderts der Romanvorlage. Da es dem Regisseur sehr stark um die Moral der Geschichte und deren Überzeitlichkeit geht, kommt folgerichtig deren zeitlicher Einordnung keine so grosse Bedeutung zu. Der Regisseur und seine Designer schaffen vom bunten Treiben auf dem Jahrmarkt bis hinein ins Schlafzimmer der Herzogin tableauartige Anordnungen, die einem gefallen könnten, wenn sie mehr individuelle Figurenzeichnung aufweisen würden. Die deutliche Fokussierung auf die Hauptfiguren entspricht mehr dem Bestreben, ein Musical zu schaffen, als dem Geist Victor Hugos. Die Handlung wird so allzu holzschnittartig präsentiert.

Die Aufführung bietet ein grosses, rund zwanzigköpfiges Ensemble und einige Theatermusiker auf. Die meisten Akteure auf der Bühne verharren allerdings in Anonymität, sprich sie werden (nur) als Chor eingesetzt. Neben Emilianos Stamatakis als Gwynplaine sind es Spiros Tsekouras als Ursus, Maria Deletze als Dea und Evelina Papoulia als Josiana, die eine gewisse Figurenzeichnung erfahren. Bedauerlicherweise bleiben die Figuren wie die Musik über weite Strecken recht plakativ. Die Moral der Geschichte, welche dem Produktionsteam so wichtig ist, wird bevorzugt mit Schwarz- und Weisseffekten erzeugt. Zwischentöne bleiben dabei auf der Strecke. Daran ändern auch die vermeintlich tiefschürfenden Kommentare aus dem Off nichts. Die Inszenierung neigt mehr zur Oberfläche denn zur Tiefenschürfung. Die fünf Musiker unter der Leitung von Thodoris Kotepanos bieten eine gute Leistung. Es ist in handwerklicher Hinsicht eine solide Produktion, die aber inhaltlich mehr hätte leisten können, zumal sie an einem Nationaltheater stattfindet.

Das Publikum spendet am Schluss kräftigen Applaus für alle Beteiligten.

Ingo Starz

 

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