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ATHEN/ Michael Cacoyannis Stiftung: DIE SOLDATEN Jakob Michael Reinhold Lenz

11.03.2020 | Theater


Copyright: Michael Cacoyannis Stiftung

ATHEN/ Michael Cacoyannis Stiftung: DIE SOLDATEN Jakob Michael Reinhold Lenz

Besuchte Auffuehrung am 10. Maerz 2020

Jakob Michael Reinhold Lenz‘ Stueck „Die Soldaten“ hat kaum etwas von seiner Schaerfe verloren. Zwar hat sich die Gesellschaft in den letzten zweieinhalb Jahrhunderten erheblich gewandelt, an Ungleichheit krankt sie freilich noch immer. Und das Militaer nimmt in zahlreichen Laendern noch immer eine problematische Sonderstellung ein. Darum ist es interessant zu sehen, wie ein alter Text neu gedacht und szenisch erweitert dargeboten werden kann. Der junge Regisseur Pantelis Flatsousis hatte sich im letzten Winter erfolgreich Horvath’s Volksstueck „Italienische Nacht“ angenommen. Nun praesentiert er im Untergeschoss der Michael Cacoyannis Stiftung seine Sicht auf Lenz‘ „Soldaten‘.

Pantelis Flatsousis nimmt den Stoff Ernst und versetzt ihn in unsere Zeit. Noch immer tendiert das Militaer dazu, eine Parallelwelt darzustellen, die durch eigene Gesetze und Riten gepraegt ist. Am Beispiel von drei Soldaten und deren Vorgesetztem zeigt der Regisseur, wie das aussieht: Wir sehen junge Maenner, die herumalbern, die sich gegenseitig demuetigen, die Gleichaltrige ihrer Umgebung respektlos behandeln und die Frauen vorderhand als Lustobjekt betrachten. Die Gruppendynamik, welche die Taten der Soldaten hervorbringt, vermag Flatsousis sehr anschaulich auf die Buehne zu bringen. Den Soldaten gegenueber stehen eine kindlich-verspielte Marie und ein in seiner gesellschaftlichen Rolle gefangener, eher nachdenklicher Stolzius. Beide geraten in die Faenge der Soldaten: Marie wird von Desportes, Mary und de la Roche vergewaltigt, Stolzius mutiert zum Amoktaeter, der die drei Soldaten erschiesst. Der Regisseur zeigt in praegnanten Bildern die Instabilitaet der jungen Charaktere, ihren Lebenshunger und ihre Verspieltheit. Das Tragisch-Komische von Lenz‘ „Soldaten“ findet in dieser Interpretation zu einer aeusserst vitalen Gestaltung. Die Elterngeneration bleibt bei diesem Geschehen unverstaendiger Beobachter oder wird wie Maries Vater gleichsam zum Mittaeater, der die geschaendete Tochter einem Zuhaelter gleich an Maenner verhoeckert. Marie hat von Anfang an keine Chance, dieser mitleidlosen Welt zu entkommen. Sie laesst sich auf ein Spiel mit den jungen Soldaten ein, welches sie als gebrandmarktes Opfer zuruecklaesst. In praezise geformten Szenen, mit Einsatz von Video und Musik zeigen Pantelis Flatsousis und sein Ensemble sehr ueberzeugend wie gesellschaftliche Verhaeltnisse junge Menschen in die Irre laufen lassen. Am Schluss sind sie alle Opfer – Marie, Stolzius und die Soldaten.

Der Erfolg der Produktion verdankt sich nicht unwesentlich den Akteuren auf der Buehne. Vangelis Ampatzis ist ein empfindsamer Stolzius, der ueberzeugend die Wandlung zum Amoktaeter darstellt. Theano Metaxa kehrt den kindlich-verspielten Charakter von Marie hervor. Marios Kritikopoulos als Desportes, Giorgos Kritharas als Mary, Manos Stefanakis als de la Roche und Antonis Antonopoulos als Spannheim zeichnen die Soldateska in vielschichtiger und schonungloser Weise. Foivos Symeonidis als Vater Wesener und Marianthi Pantelopoulou als Graefin de la Roche vermoegen gekonnte Akzente zu setzen. Die Spiellust des Ensembles und die Personenfuehrung des Regisseurs sind bemerkenswert.

Das Publikum spendet herzlichen und anhaltenden Beifall.

Ingo Starz

 

 

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