Megaron – The Athens Concert Hall
Staatsorchester Athen mit Elisabeth Leonskaja
Besuchtes Konzert am 18. Oktober 2024
Vom Innigen zum Stürmischen
Das Staatsorchester Athen eröffnet seine Saison und das vor einem nahezu vollen Haus. Hinsichtlich Publikumsinteresse hat aich wahrlich einiges getan im zurückliegenden Jahrzehnt. Man erinnert sich gut an Konzerte in der Endphase der Finanzkrise, wo gerade einmal 300-400 Zuhörer im grossen Saal des Megaron sassen. Nun ist das Bild im Auditorium wie auf dem Podium ein anderes: Mehr Zuschauer und mehr prominente Gäste in den Konzerten des Staatsorchesters. An diesem Abend ist es Elisabeth Leonskaja, die das Publikum anlockt. Hinzukommt ein gut verträgliches, deutsches Programm mit Werken von Carl Maria von Weber, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann.
Das Orchester präsentiert sich auf gediegenem Niveau. Die Streicher vermögen beginnend mit der Oberon-Ouvertüre schöne Akzente zu setzen, die Energie und klangliche Wärme entfalten. Die Bläsergruppen überzeugen in Soli und Zusammenspiel. Der Dirigent Lukas Karytinos hat sein Orchester gut im Griff. Die Werke von Weber und Schumann werden mit dramatischem Duktus gespielt, wobei die erste Sinfonie von Schumann durchaus mehr Details und dynamische Abstufungen vertragen hätte. Der Frühling klingt unter Karytinos‘ Leitung etwas pauschal wie ein aufwühlender Frühlingssturm. Sehr positiv treten hier, etwa gleich zu Beginn, die Hörner und Trompeten in Erscheinung. Das Orchester hat tatsächlich in den letzten Jahren qualitativ zugelebt. Einen anderen Höreindruck, weniger dramatisch denn verinnerlicht, vermittelt die Wiedergabe von Ludwig van Beethoven’s drittem Klavierkonzert.
Es ist fraglos die Pianistin des Abends, Elisabeth Leonskaja, die viele Besucher ins Konzert gelockt hat. In gewissem Sinne macht Leonskaja den langsamen Satz zum Mass aller Dinge. Bewundernswert sind etliche Details ihres Spiels, ihre intensive Introspektive. Woran es aber doch etwas mangelt, und das mag dem Alter der Pianistin zuzuschreiben sein, das sind die zupackenden, vorwärtsdrängenden Momente. Beethovens Klavierkonzert kommt an diesem Abend allzu gemächlich und sanftmütig daher. Die Orchesterbegleitung unter Karytinos lässt es dementsprechend auch an dramatischer Gestaltung, an Fluss mangeln. Es ist ein zuviel des Innehaltens in dieser Interpretation. Und dennoch freut man sich, dass die beinahe 79-jährige Leonskaja wieder nach Athen gekommen ist, wo sie vor wenigen Jahren mit grossem Erfolg an drei Abenden Klavierwerke von Schubert präsentierte.
Das Publikum reagiert mit grosser Zustimmung und Begeisterung auf das dargebotene Programm. Ein Saisonauftakt mit Luft nach oben.
Ingo Starz (Athen)