Megaron – The Athens Concert Hall
Staatsorchester Athen: Liszt & die griechische Mythologie
Besuchtes Konzert am 19. Januar 2024
Romantische Zwiesprachen
Das Jahr beginnt für das Staatsorchester Athen mit einem vollen Programm. Ein neuerliches Konzert bestätigte die positive Entwicklung des Klangkörpers. Und wiederum war ersichtlich, wie wichtig die richtige Besetzung am Dirigentenpult ist. Izabelė Jankauskaitė, eine junge litauische Dirigentin, leitete das Athener Orchester. Sie gewann 2022 den Neeme Järvi Preis des Dirigierwettbewerbs in Gstaad und war in der Saison 2022/23 Assistentin von Paavo Järvi beim Zürcher Tonhalle-Orchester. Man konnte nun erleben, dass da ein grosses Talent heranwächst.
Der Abend begann mit drei kürzeren Kompositionen, die sich als musikalische Dichtungen auf Figuren der griechischen Mythologie bezogen. Der griechische Komponist Thanos Margetis, Jahrgang 1973, widmet sich in einem Stück für grosses Orchester dem Polyphem-Mythos. Seine musikalische Sprache klingt ziemlich spätromantisch, und spart nicht mit effektvollem Einsatz einzelner Orchestergruppen. Das Werk weist dramatisch gestaltete Momente auf, ist aber als Musik unserer Zeit alles andere als aufregend. Dann geht man vielleicht doch besser ins 19. Jahrhundert und zu Franz Liszt zurück. In seinen Tondichtungen „Orpheus“ und „Prometheus“ gibt er dem dramatischen Kern der Mythen klaren Ausdruck. Bei „Orpheus“ erschafft er eine singende Orchesterbewegung, während beim zweitgenannten Blech und dramatische Aufwallung das musikalische Geschehen bestimmen. Izabelė Jankauskaitė hielt das Orchester mit klarer Zeichengebung sicher zusammen, sorgte für ein transparentes Klangbild und setzte markante Akzente.
Der zweite Teil des Abends stand im Zeichen einer wunderbaren Pianistin. Eliso Virsaladze, ausgebildet in Tiflis und Moskau, ist eine ältere Dame, doch wenn sie spielt, zeigt sie eine jugendlich anmutende Emphase und Leichtigkeit, die beeindrucken. Sichere Läufe und eine farbreiche Tongestaltung machten die romantische Empfindung, die dem Klavierkonzert von Robert Schumann innewohnt, erfahrbar. Die Dirigentin und die Pianistin fanden zu einer wohl austarierten Interpretation. Die einzelnen Orchestergruppen waren gut vorbereitet, nur momenthaft hätte man sich mehr Intensität bei den Streichern gewünscht. Virsaladze gewährte eine Zugabe.
Es gab reichlich Beifall für Orchester, Dirigentin und Pianistin im grossen Saal des Athener Megaron.
Ingo Starz (Athen)