Megaron Mousikis, Athen
Nationales Radiosinfonieorchester ERT
Besuchtes Konzert am 20. Januar 2025
Ausgefeilte Dialoge
Zu den festen Grössen im Athener Musikleben gehört das Nationale Radiosinfonieorchester ERT. Der Klangkörper spielt das sinfonische Repertoire, widmet sich aber auch anderen musikalischen Feldern. Im vergangenen Oktober trat das Orchester im Olympia-Theater für eine konzertante Aufführung von Ludwig van Beethovens „Fidelio“ auf. Man bot dort unter der Leitung von Konstantinos Terzakis eine gediegene Wiedergabe der Oper. Die Ankündigung eines reines Beethoven-Konzertprogramms machte nun neugierig. Dieses Mal steht der Chefdirigent Michalis Economou am Pult des Orchesters. Dargeboten werden zwei Meisterwerke des Komponisten: das fünfte Klavierkonzert und die fünfte Sinfonie.
Es war ein Konzertabend des Dialogs und der Klangrede. Achtsam und präzis gestaltet Michalis Economou den Orchesterpart des berühmten Konzerts. Das Orchester bietet einerseits ein wohlgesetztes Rahmenwerk für den Pianisten und erweist sich andererseits als dessen lebendiger Dialogpartner. Das Spiel von Orchester und Pianist ist dabei gut ausbalanciert. Vassilis Varvaresos sitzt am Klavier – oder sollte man besser sagen er agiert dort. Starke körperhafte Gesten unterstreichen, was sein Spiel ausdrückt. Varvaresos kostet die Extreme aus und vergisst dabei nie die klare Binnenzeichnung. Alles was er zum Erklingen bringt, ist Klangrede. Ganz besonders deutlich ist dies im letzten Satz, wo sein Spiel einen fast schon bizarr anmutenden Humor entwickelt. Das „manische“ Lächeln, das manche Musikwissenschaftler aus der Musik heraushören, Varvaresos macht es erfahrbar und zum Ereignis. In intensivem Dialog mit dem Orchester schafft der Pianist eine wunderbare, detailfreudige und ungemein sprechende Wiedergabe des Schlusssatzes. Ganz klar, dass Varvaresos eine Beethovenzugabe gewähren muss: „Für Elise“ sorgt für ein liebevolles Lächeln.
Nach der Pause geht es an einen Meilenstein des sinfonischen Repertoires, Beethovens Fûnfte. Economou bietet eine gut geformte Interpretation, den klanglich-dynamischen Vorgaben des Komponisten folgend, ohne pathetische Übertreibungen. Vom düster-dramatischen ersten Satz bis zum jubilierenden Ton des Schlusssatzes fügt sich hier alles gut zusammen. Economou führt die Musikerinnen und Musiker mit klarer Zeichengebung sicher durch die Partitur, deren Unsetzung eine erfreuliche Geschlossenheit vermittelt. Das Spiel des Klangkörpers bewegt sich auf gutem, teils hohem Niveau. Wie schon beim Klavierkonzert entstehen schöne klangsprachliche Momente, etwa im ersten Satz, wo bei allem schicksalhaften Vorwärtsdrängen der dritte Abschnitt der Durchführung gelungen ein klangliches Erstarren erleben lässt. Der letzte Satz überzeugt mit kontrollierter, wohldosierter Emphase. Man wünscht sich nach diesem Konzert mehr Beethoven-Erfahrungen mit dem Orchester und Economou.
Das Publikum spendet nach beiden Werken reichlich und begeistert Applaus.
Ingo Starz (Athen)