Megaro Mousikis, Athen: Staatsorchester Athen, Dirigent: Wladimir Fedossejew. Konzert am 1. Juni 2019
Russische Klangwelten
Kurz vor dem Saisonende präsentierte das Athener Staatsorchester ein bemerkenswertes Konzert mit russischer Musik. Als Dirigenten hatte man dafür Wladimir Fedossejew gewonnen, der mit seinen 86 jahen noch immer sehr agil die Musikerinnen und Musiker zu führen weiss. Die grosse Erfahrung des Maestros im russischen Repertoire spornte das Orchester hörbar an und führte zu einem Resultat, wie man es nicht alle Tage in Athen erleben kann.
Das Konzert begann, man könnte sagen eher traditionell, mit Modest Mussorgskis symphonischer Dichtung „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“.
Bereits hier konnte man hören, wie gut der Dirigent die Musiker vorbereitet hatte. Mit präzise gesetzten Rhythmen und schönen Klangeffekten entfaltete sich Mussorgskis Werk. Interessanter, weil weitgehend unbekannt war das zweite Stück des Abends. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass Fedossejew das „Konzert für Saxophon und Orchester“ von Andrej Eshpai (1925-2015) vorgeschlagen hat.
Eshpai, der unter anderem bei Aram Chatschaturjan studierte, hinterliess ein umfangreiches kompositorisches Werk. Neben neun Symphonien hat er zahlreiche Konzerte für diverse Instrumente, Ballettmusiken und ein Musical geschaffen. Das 1990 uraufgeführte „Konzert für Saxophon und Orchester“ stellt hohe Anforderungen an den Solisten, welche Theodoros Kerkezos mit Bravour meisterte. Die musikalische Sprache des Stücks könnte man als eklektisch bezeichnen, tönt sie doch einmal wie Jazz und im nächsten Moment recht postromantisch. Das Gefüge der Komposition ist dabei aber stimmig und das Staatsorchester verstand es, die Klangvielfalt überzeugend in Szene zu setzen.
Nach der Pause erklang als Hauptwerk des Abends Dmitri Schostakowitschs zehnte Symphonie. Hier machte sich die Erfahrenheit und tiefe Werkkenntnis von Wladimir Fedossejew ganz besonders positiv bemerkbar. Das Orchester fand unter seiner Leitung zu einer spannungsvollen, gut austarierten Darbietung. Dabei boten auch die Streicher, welche bisweilen Schwächen zeigen, eine präzise, klangschöne Leistung. Mehr Eindruck machten an diesem Abend freilich die Bläser und die Perkussionisten, erwähnt seien nur die erstklassigen Soli von Trommel im zweiten, Horn im dritten sowie von Oboe und Klarinette im vierten Satz. Das Publikum durfte eine schlüssige, mitreissende Interpretation von Schostakowitschs Symphonie erleben, in welcher das Scherzo tatsächlich den ‚brutalen‘ Charakter annahm, den der Komponist intendierte. Schroffheit, Dramatik und Schönheit des Werk fanden unter Fedossejews Leitung zu einem organischen Ganzen.
Das Publikum feierte den Dirigenten und das Orchester mit grosser Begeisterung,
Ingo Starz