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ATHEN/ Megaro Mousikis: KREATUR – Sasha Waltz & Guests

Pygmalios Erbin

25.03.2018 | Allgemein

Megaro Mousikis, Athen: Sasha Waltz & Guests: Kreatur
Besuchte Vorstellung am 24. März 2018

Pygmalion’s Erbin

Wenn Sasha Waltz mit einer Produktion nach Athen kommt, dann hat das auch ein wenig von einer Rückkehr zu den Wurzeln. Wer im Winter 2013/14 die beeindruckende Ausstellung über die Choreografin im Karlsruher ZKM | Zentrum für Kunst und Medien gesehen hat, konnte dort Waltz‘ Auseinandersetzung mit klassischen Werken der bildenden Kunst entdecken und studieren. Zahlreiche Live-Performances in der Ausstellung liessen die Besucher zwischen stehenden und bewegten Bildern hin- und herpendeln. Indem die Künstlerin ihre tänzerischen Arbeiten in Installationen überführte, legte sie deren bildnerische Dimension offen. Im Athener Megaro Mousikis konnte man nun beim Betrachten von „Kreatur“ eine ähnliche Erfahrung machen: auch hier traten immer wieder bildnerische Aspekte deutlich in den Vordergrund und liessen so beispielsweise das Nachleben antiker Formen resp. Figurenkonstellationen spüren.

In ihrer Choreografie „Kreatur“ widmet sich Sasha Waltz den Daseinsformen einer mit sich selbst kämpfenden resp. zerrissenen Gesellschaft. In bildstarken Figurenkonstellationen zeigt sie uns, wie sich Gruppen formieren, wie Einzelne heraustreten, wie Dominanz und Gefährdung sich ausformen, wie sich Paare finden und binden. Die von der Choreografin und Thomas Schenk eingerichtete Bühne ist nahezu leer. Nur am rechten Rand ist ein Treppenpodest gesetzt, das in einer Szene von allen 14 Tänzerinnen und Tänzern okkupiert und dann zum Sinnbild der Bedrohung wird, da die gedrängte Enge der Gruppe die Gefahr des Absturzes vom Podest in sich trägt. Augenfällig ist, dass das Ensemble häufig vom bewegten Bild zum Stand-Bild oder Still wechselt. Gerade die gleichsam eingefrorenen Gebärden machen die Nähe von Sasha Waltz‘ Formensprache zu klassischen Vorbildern deutlich. Dabei bleibt der Zugang der Künstlerin stets spielerisch und atmet die Leichtigkeit der Verwandlung – ob in zarten Annäherungen der Körper oder in wilden, erotisch aufgeladenen Momenten. Sasha Waltz erweist sich als wundersame Zauberin, als moderner Pygmalion, dem eine beglückende Serie von Körperbildern gelingt.

Zum Gelingen der grossartigen Aufführung tragen wesentlich auch die künstlerischen Partner bei. Zu nennen sind der Lichtdesigner Urs Schönebaum, der fliessende Übergänge schafft und einen Horizontstreifen aus Licht auf den rückwärtigen Bühnenprospekt setzt; weiterhin die Kostümbildnerin Iris van Herpen, die in ihren Arbeiten traditionelles Handwerk und digitale Technologie vereint: Ihre wie fein-gestrickt wirkenden Überwürfe (man könnte auch von übergrossen Perücken sprechen) verwandeln die Tanzenden der Eingangsszene in wundersame Einzeller auf Beinen; schliesslich das Soundwalk Collective, ein Musiker-Trio, welches eine höchst interessante Klangwelt zeichnet, die ebenso Erinnerungsspuren von Techno wie von klassischer Ballettmusik (Tschaikowsky!) aufweist. Dieses interdisziplinäre Zusammenwirken trägt sehr zum kraftvollen und mitreissenden Ergebnis bei, als welches man die Choreographie „Kreatur“ betrachten darf.

Das Publikum feiert die Beteiligten mit lautstarkem Beifall und Bravorufen.

Ingo Starz (Athen)

 

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