Megaro Mousikis, Athen: Das Patenkind (O Vaftistikos)
Besuchte Vorstellung am 7. Januar 2019
Theophrastos Sakellaridis‘ Operette „Das Patenkind“ (O Vaftistikos) ist, wenn man so sagen will, das griechische Pendant zu Johann Strauss‘ „Fledermaus“. Das Werk wird haeufig gespielt und erfreut sich bis in unsere Tage grosser Beliebtheit beim Publikum. Die eingaengigen Melodien des Werk stehen in der Tradition der Operette oesterreichischer Praegung – der Komponist studierte unter anderem in Muenchen.. Die turbulente, waehrend der Balkankriege angesiedelte Geschichte um Liebesabenteuer und Soldatentum bietet alles, was das Genre benoetigt, vor allem aber eine mitreissende Musik. Da die Urauffuehrung des ‚Vlaftistikos“ sich eben erst zum hundertsten Mal jaehrte, nahm sich das Athener Musikzentrum dessen an und brachte es auf die grosse Buehne der Alexandra Trianti Hall. Ein schwungvoller Start ins Neue Jahr war somit garantiert.
Wie bereits desoefteren fungiert George Petrou in Personalunion als Dirigent und Regisseur. Mit der Camerata, dem Orchester der Musikfreunde, bringt er Sakellaridis‘ Musik praezise und mit Sinn fuer die Formenvielfalt des Werks zu Gehoer. Das klein besetzte Orchester folgt ihm mit Engagement und Spielfreude. Die Ausstatterin Georgina Germanou zaubert mit einfachen Mitteln einen wirkungsvollen und wandelbaren Szenenraum auf die Buehne. Im Stil des fruehen 20. Jahrhunderts tapezierte Schiebewaende erlauben schnelle Verwandlungen und schaffen atmosphaerisch reizvolle Raumsituationen. Wenige Requisiten und effektvolle Kostueme sorgen fuer die richtigen Akzente. In diesem Setting bewegt der Regisseur das Saengerensemble und den kleinen, von Athanasia Kyriakidou einstudierten Chor mit sicherer Hand. Das Geschehen zieht flott, turbulent und mit viel Komik am Publikum vorueber. Dabei wirkt das ganze erfreulicherweise niemals verstaubt. Zum Spiel der Akteure passen die von Mimi Antonaki choreografierten Tanzeinlagen bestens. Petrou bietet eine unterhaltsame, detailreiche Inszenierung eines griechischen Klassikers, dem man Auffuehrungen auch im deutschsprachigen Raum wuenschen wuerde.
Auf der Buehne steht ein im Operettenfach erfahrenes Ensemble, das vielleicht auf der Herrenseite etwas mehr zu ueberzeugen vermag. Es ist besonders Yannis Christopoulos als Charmidis, der mit seinem sicher gefuehrten, angenehm timbrierten Tenor das musikalische Geschehen anfeuert. Daneben bewaehren sich Dimitris Nalbandis als Zacharoulis, Marios Sarantidis als Hauptmann, Argyris Pantazaras als Kortasis, Haris Attonis als Martis sowie – auf der Damenseite – Eleni Stamidou als Vivika und Anna Koutsaftiki als Kiki. Das Ensemble erweist sich vokal und darstellerisch als flexibel und wandlungsfaehig. Das Zusammenspiel funktioniert in jedem Moment und entfaltet stetige Bewegung auf der Buehne. Bemerkenswert ist der Elan, mit dem sich der junge Marios Sarantidis, der wie der Komponist in Munenchen studierte, ins szenische Getuemmel stuerzt. Alle Beteiligten finden auch in den gesprochenen Szenen den rechten Ton, um Sakellaridis‘ Operette zu grosser Wirkung zu verhelfen. Das Publikum geht animiert mit und spendet am Schluss kraeftigen und anhaltenden Beifall. Die naechste Einstudierung des „Vaftistikos“ wird wohl nicht lange auf sich warten lassen.
Ingo Starz