Christoph Eschenbach. Foto: Youtube
Megaro Mousikis, Athen
Christoph Eschenbach dirigiert das Staatsorchester Athen
Konzert am 29, Januar 2020
Zahm und spannungsarm
Das Staatsorchester Athen konnte Christoph Eschenbach fuer ein Konzert in Athen gewinnen, das mit Beethovens fuenftem Klavierkonzert und Mahlers erster Sinfonie bedeutende Klassiker auf dem Programm stehen hatte. So erfreulich es war, dass ein Grossteil der Einnahmen an einen wohltaetigen Zweck gingen, so enttaeuschend fiel das kuenstlerische Resultat des Abends aus. Das Athener Orchester braucht Dirigenten mit grosser und internationaler Erfahrung, das ist sicher. Leider war an diesem Abend von Eschenbachs gestalterischem Koennen nicht allzu viel zu spueren.
Bei der Wiedergabe von Ludwig van Beethovens Klavierkonzert in Es-Dur „Emperor“ konnte man zeitweilig vergessen, dass es sich um eine Komposition des Jubilars handelt. Eschenbach war vor allem darum bemueht, Details vorzufuehren, den linearen Spannungsaufbau vernachlaessigte er dabei vom ersten Satz an. Erschwerend kam hinzu, dass sich das Spiel des Solisten Vassilis Vavaresos nur ungenuegend mit demjenigen des Orchesters verband. Der griechische Musiker brachte die Musik akkurat, durchaus virtuos zum Erklingen, vermochte es aber kaum dramatische Agogik zu zeigen. Im Adagio, welches der Dirgent sehr langsam nahm, schien der Klang buchstaeblich zu verfliessen. Und die Streicher boten in diesem Moment wahrlich nicht den besten Klang – ganz im Gegensatz zu den sehr guten Hoernern. Es war, was sich auch nach der Pause bestaetigen sollte, der Abend der Blaesergruppen. Beethovens beruehmtes Konzert wurde, dies laesst sich bilanzieren, von Eschenbach strukturell nicht wirklich erschlossen, es blieb in der Wiedergabe bei einigen schoenen Momenten. Nach „Emperor“ klang das alles nicht.
Nach der Pause stand Gustav Mahlers erste Sinfonie auf dem Programm. Das bot immerhin den gut disponierten Blechblaesern Gelegenheit, sich wirkungsvoll in Szene zu setzen. Nach einer interpretatorischen Linie, einer dramatischen Bewegung, die sich durch das Werk zieht, suchte man freilich in Eschenbachs Dirigat vergeblich. So liess beispielsweise der Laendler des zweiten Satz ein klare Kontur vermissen und der Trauermarsch des folgenden Satzes erfuhr keine angemessene Steigerung. Mahlers Musik zerfiel in dieser Auffuehrung mehr als einmal in seine Teile. Oder sie geriet zum allzu lauten, Details verschluckenden Getoese. Dies war insbesondere im letzten Satz der Fall. Der feierliche Charakter, den der Komponist intendierte, stellte sich darum auch nicht ein. Es war, um es nochmals hervorzuheben, erfreulich, die Blaser des Athener Orchesters in beiden Teilen des Konzertprogramms in guter bis sehr guter Form zu erleben. Man haette sich allerdings auch eine packende Interpretation gewuenscht. Es mag sein, dass die Probenzeit knapp bemessen war, von einem Dirgenten wie Christoph Eschenbach sollte man aber in jedem Fall mehr Deutungskraft erwarten koennen.
Das Publikum im fast ausverkauften Saal spendete reichlich Beifall mit einzelnen Bravorufen fuer die Beteiligten.
Ingo Starz (Athen)