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ATHEN/ Griechisches Nationaltheater: WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND („A bright room called day“) von Tony Kushner. Ein amerikanisches Lehrstück 

08.05.2023 | Theater

Griechisches Nationaltheater, Athen : Willkommen in Deutschland 

Besuchte Vorstellung am 7. Mai 2023

Ein amerikanisches Lehrstück 

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Im Jahr 1985 auf dem Höhepunkt der Reagan-Ära waren manche in Sorge um die Wahrung bürgerlicher Rechte in den USA. Der Dramatiker Tony Kushner verfasste just dann ein Stück über Deutschland in den Jahren 1932/33, das den Amerikanern den Spiegel vorhalten sollte. Eine Figur darin schlägt explizit die Brücke zur Gegenwart. In der Anlage seines Stücks orientierte sich der Autor an Bertolt Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ von 1938. Kushners Drama „A bright room called day“, was in der deutschen Übersetzung „Willkommen in Deutschland“ heisst, könnte man als Lehrstück verstehen. Die deutsche Erstaufführung des Werks fand erst 2017 in Frankfurt statt.

Der Regisseur Yannis Moschos, der auch Direktor des Nationaltheaters ist, konzentriert sich (fast) ganz auf das Geschehen der Jahre 1932/33, die Periode als die Nazis in Deutschland an die Macht kamen. Die in der Wohnung der Schauspielerin Agnes Eggling angesiedelte Handlung wird flott erzählt, ein Conferencier kündigt die Szenen und den historischen Kontext an. Wir blicken auf eine Gruppe von Künstlern, die sich mal mehr und mal weniger zum Kommunismus hingezogen fühlen. Einer der Protagonisten erweist sich als Homosexueller. Zwei kommunistische Aktivisten zeigen unterschiedliche Denkrichtungen innerhalb der Bewegung. Im Art Deco-Salon der Frau Eggling (Ausstattung: Tina Tzoka) breitet Moschos mit psychologischem Feinsinn das Geschehen vor uns aus. Die symbolische Figur der Alten, die um das nahende Unheil weiss, schlägt dabei eine nurmehr lockere Verbindung zu den Nachgeborenen. Kushners Drama kommt konzentriert zur Aufführung. 

Auf der Kleinen Bühne des Nationaltheaters im Zillergebäude ist eine gute Ensembleleistung zu erleben, wobei das Hauptaugenmerk auf Agoritsa Oikonomou als Agnes Eggling liegt. Neben ihr agieren Anatoli Athanasiadou als Paulinka Erdnuss, Maria Tsima als Anabella Gotchling, Themis Panou als Vealtrinc Husz, Panagiotis Panagopoulos als Gregor Bazwald, Thanasis Raftopoulos als Gottfried Swetts, Sofia Seirli als Alte sowie Sofia Ypsipili und Yilmaz Husmen als Kommunisten. Alle Beteiligten tragen dazu bei, dass das amerikanische Lehrstück leichtfüssig wie eine Revue daherkommt. 

Das Publikum spendet am Schluss viel Beifall. 

Ingo Starz (Athen)

 

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