Griechisches Nationaltheater, Theater Rex
Eau de Cologne
Besuchte Vorstellung am 9. Januar 2020
Der Duft des Irdischen
Wer den Namen Efthymis Filippou hoert, duerfte vor allem an den Drehbuchautor denken, der bereits mehrfach mit Yorgos Lanthimos zusammengearbeitet hat. Vielfach ausgezeichnet und fuer wichtige Preise nominiert wurde das Script zum Film „The Lobster“ (2015), welches Filippou zusammen mit dem Regisseur verfasste. In Griechenland kennt man den Autor auch aufgrund seiner Buehnenarbeiten, die sich wie Lanthimos‘ Filme durch einen Hang zur Absurditaet auszeichnen. Auf der Kleinen Buehne des Griechischen Nationaltheaters in Athen ist nun Efthymis Filippou’s Drama „Eau de Cologne“ zu sehen.
Der griechische Autor fuehrt uns in seinem neuen Stueck in eine Produktionsstaette besonderer Art, wo ein Mann auf eine Gruppe oder besser gesagt auf einen Chor von jungen Frauen trifft. Der Mann ist gekommen, weil er eine Nachricht an seine verstorbene Mutter senden will. Und die Eigenart dieser Botschaft hat es in sich: Es geht naemlich darum, ein Parfuem fuer die Mutter herzustellen. Eine Maschinerie auf der Buehne uebersetzt einen vorgelesenen Brief des Sohns zunaechst in Bilder, welche auf einer an Zylinder fixierten Papierrolle erscheinen. Diese visuelle Uebertragung wird dann – und der Zuschauer wird im Unklaren gelassen, wie dies geschieht – in Duftaromen verwandelt, welche dann schliesslich das Parfuem fuer die Mutter ergeben. Es ist eine absurde, aber auch eine traurig-komische Handlung, welche uns Filippou praesentiert. Sie erzaehlt davon, wie wir mit dem Tod umgehen und wie wir oft erst nach dem Ableben naher Angehoeriger merken, was wir diesen noch gerne gesagt haetten. „Eau de Cologne“ waere, daran musste der Verfasser waehrend der kurzen, nur etwa 70minuetigen Auffuehrung mehrfach denken, der perfekte Stoff fuer einen Theatermacher wie Christoph Marthaler.
Was die Theatergruppe Vasistas unter der Leitung der Regisseurin und Schauspielerin Argyro Hioti daraus macht, wirkt leider mehr wie eine unfertige Skizze oder eine Studentenauffuehrung. Gelungen sind, um mit dem Positiven zu beginnen, die Musik von Jan van de Engel und der schoene Gesang des kleinen Frauenchores. Der von Vasilis Marmatakis gestaltete Buehnenraum und die Inszenierung von Argyro Hioti wissen aber nicht recht mit der starken Vorlage umzugehen. Die Absurditaet des Text erfaehrt weder ein raeumliches Echo noch eine Entsprechung in der Bewegungsfuehrung der Akteure. Man erlebt auf der Buehne ein Ensemble ohne Charaktere. Man fragt sich, wo das Sonderbare, wo das Skurrile bleibt resp. sich Ausdruck verschafft. Die originelle Geschichte Filippous wird brav heruntergespielt, ihr Potential bleibt weitgehend unausgeschoepft. Was haette ein Regisseur und Musiker wie Christoph Marthaler daraus machen koennen! Fidel Talampoukas, Eleni Vergeti, Katerina Papandreou, Areti Paschali, Sofia Priovolou, Kalliopi Simou, Argyro Hioti und Georgina Chryskioti versorgen das Publikum zwar am Schluss mit Proben des erschaffenen Parfuems, Momente intensiver Darstellung bleiben sie uns aber schuldig.
Das Publikum spendet am Ende anhaltenden Beifall.
Ingo Starz (Athen)