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ATHEN/ Griechisches Nationaltheater: Pina Bausch: Kontakthof. Lustvolle Präsenz des Zeitlosen

17.12.2025 | Ballett/Performance

Griechisches Nationaltheater, Athen : Pina Bausch: Kontakthof 

Generalprobe am 16. Dezember 2025

Lustvolle Präsenz des Zeitlosen

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Pina Bauschs Tanztheaterwerk „Kontakthof“ kam im Dezember 1978 in Wuppertal zur Uraufführung. Es ist eine der berühmtesten Arbeiten der Choreografin und eine, die in aller Welt gezeigt wurde. In ihren späten Jahren studierte Bausch das Werk mit einer Schar junger Laien ein, was ein Film dokumentiert hat. Man sieht im Dokumentarfilm eindrücklich, wie die jungen Leute in die Rollen hineinwachsen, sich die unterschiedlichen Charaktere aneignen und dabei auch ihre eigene Persönlichkeit erkunden. Dem Ensemble, das nun auf der Bühne des Griechischen Nationaltheaters steht, wird es wohl ähnlich ergangen sein. Unter der Leitung von Josephine Ann Endicott, die in der Uraufführung tanzte, und Daphnis Kokkinos, ehemals Tänzer in Wuppertal, ersteht Pina Bauschs „Kontakthof“ in der alten Ausstattung von Gerburg Stoffel und Petra Leidner in Athen. Die Herausforderung war, die richtige Besetzung zu finden. Und man darf sagen, dass dies auf famose Weise gelungen ist.

Über Pina Bauschs „Kontakthof“ ist viel gesagt und geschrieben worden. Der Kampf der Geschlechter wird hier in einem Tanzsaal ausgetragen, der denjenigen, die die 1970er Jahren erlebt haben, vertraut vorkommen wird. Das Zusammenkommen beim Tanz als Begegnungsstätte, Kontakthof, von Frauen und Männern war etwas Übliches in dieser Zeit. Dazu kommt ein Soundtrack, der vor allem alte Schlager der Zwischenkriegsjahre in repetitiver Folge zu Gehör bringt – man konnte diese Musik in der alten Bundesrepublik noch oft hören -, aber auch Musik von Nino Rota, wenn fellinihafte Turbulenz ins Spiel kommt. Der Tanz bringt die Geschlechter zusammen, und mit Tanz und Theater zeigt uns Bausch die Annäherungen und Tändeleien, die Glücksmomente und Enttäuschungen, Paarbildungen und einsame Gestalten. Vor den Augen der Zuschauer entfaltet sich ein reiches, detailfreudiges Panoptikum menschlicher Beziehungspiele.

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Pina Bauschs „Kontakthof“ wie ihr gesamtes Werk lebt von den Charakteren auf der Bühne. Es konstituiert sich durch deren gestischen Ausdruck, deren Bewegungen und Sprache. Die Choreografie entwickelt aus den Energien und Ausdrucksqualitäten der Tänzerinnen und Tänzer ihre Form. Und man staunt noch fast fünfzig Jahre nach der Uraufführung über den mitreissenden Rhythmus und die  Narration von Pina Bauschs Werk. Da gibt es grosse Bilder, wie das zur Ikone gewordene Stühlerücken, und kleine Gesten, die tief in die menschliche Psyche blicken lassen. Ensembleszenen wechseln sich ab mit intimen Momenten, Tanz, Spiel und Sprache fügen sich in bezwingender Weise zu dem zusammen, was man als Tanztheater bezeichnet. „Kontakthof“ berührt seine Zuschauer noch immer. Gerade weil es so tiefgründig einen spezischen Moment der Geschichte ausleuchtet, erzielt das Tanztheaterwerk Zeitlosigkeit.

Der Abend im Athener Nationaltheater wird von einem wunderbaren Ensemble getragen. Auf der Bühne agieren charaktervolle Darstellerinnen und Darsteller, die den „Kontakthof“ mit Frische und grosser Vitalität erfüllen. Alle verdienen es, genannt zu werden: Thanasis Akokkalidis, Alexandros Vardaxoglou, Viki Volioti, Katerina Gevetzi, Dimitris Georgiadis, Marilena Dara, Daphni Drakopoulou, Nikos Ziaziaris, Natalia Kalogeropoulou, Dimitris Kollios, Melina Konti, Nikos Kousoulis, Konstantinos Kontogeorgopoulos, Nikos Lekakis, Eri Magkou, Dimitris Mandrinos, Ioannis Bastas, Alexandra Ospitsi, Evina Pantelaki, Pirros Theophanopoulos, Elsa Siskou, Vasiana Skopetea, Sania Stribakou. Es sind diese Menschen, die uns unter Verwendung griechischer Sätze zeigen, dass in Pina Bausch auch eine Griechin gesteckt haben könnte. 

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Die Zuschauer der Generalprobe verfolgen mit freudiger Anteilnahme das Geschehen. Am Schluss wird das Ensemble lautstark gefeiert. 

Ingo Starz (Athen)

 

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