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ATHEN/ Griechisches Nationaltheater/Peiraios 260 Halle B: GOODBYE, LINDITTA von Mario Banushi

04.04.2023 | Theater

Griechisches Nationaltheater Athen, Peiraios 260 Halle B

Goodbye, Lindita 

Besuchte Vorstellung am 2. April 2023

Erinnerte Körper und Gefühle 

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Das Theater in Griechenland ist noch immer sehr griechisch und dabei häufig konventionell. Zwar macht sich einiger Einfluss vom deutschsprachigen Theater her bemerkbar, fremde zugewanderte Stimmen sind aber noch rar. In den letzten Jahren treten in den verschiedenen Kulturbereichen insbesondere albanischstämmige Künstler in Erscheinung. Unter den nach Griechenland Eingewanderten bilden die Albaner, welche ab den frühen 1990er Jahren ins Nachbarland kamen, die grösste Gruppe. Der junge Mario Banushi fiel bereits mit seinen ersten Schritten auf der Regiebühne auf. Der Direktor des Nationaltheaters, Yannis Moschos, bezeichnet ihn als eminentes Talent und holt ihn nun an sein Haus. Da die kleinere Bühne des Haupthauses wegen Besetzung des Theaters durch Studierende nicht rechtzeitig verfügbar war, ist Mario Banushis „Goodbye, Lindita“ nun in Halle B des Athens Epidaurus Festivals zu sehen.

Das Publikum erlebt einen 70-minütigen Abend ohne Worte – oder sagen wir besser ohne gesprochene Worte, die verstanden werden wollen. Es gibt ein wenig Gesang und eindrückliche elektronische Musik (Emmanouil Rovithis), in welcher verfremdete ältere Musik zitathaft auftaucht. Wir befinden uns in der Stube einfacher Leute, detailreich ausgestattet von Sotiris Melanos. Ein älteres Paar legt darin Wäsche zusammen, eine junge Frau schläft scheinbar in einem Bett. Man denkt angesichts des Titels an eine Reise, einen bevorstehenden Abschied. Schnell erweist sich die junge Frau aber als Verstorbene, die gewaschen und aufgebahrt wird. Drei junge Frauen und das Paar – wohl die Eltern – trauern um die Tote. Eine Sängerin und der später auftretende Mario Banushi stimmen in das Trauer- und Abschiedsritual ein. Der Regisseur verarbeitet hier ganz offensichtlich eine persönliche Erfahrung. Da macht es auch Sinn, dass er erst später hinzukommt: Der in Griechenland Lebende kommt in sein Heimatland Albanien zurück. An letzteres erinnert auch die festliche Kleidung der Toten. Zum Persönlichen und Realen kommt in dieser Theaterarbeit das Surreale, verkörpert etwa durch die wundersam durch die Szene streifende farbige Sängerin, die einmal hinter einem Madonnenbild durch eine Wandöffnung entschwindet. Es ist eine Art magischer Realismus, den Banushi kreiert und der mit bemerkenswerter Bildkraft in Szene gesetzt wird. Mario Banushis „Goodbye, Lindita“ ist eine beeindruckende Theaterarbeit, ein schönes Versprechen für die Zukunft. 

Der kurze Abend erweist sich als starke ästhetische Setzung. Banushi zeigt, dass er sich auf Körpersprache, emotionalen Ausdruck und den symbolischen Raum versteht. Die einzelnen Teile fügen sich sehr schön zu einem Ganzen. Und das Ensemble um den Regisseur setzt dessen wundersamen Gestaltungswillen sorgsam um: Chryssi Vidalaki, Babis Galiatsatos, Madalena Karavatou, Afroditi Katsarou, Eftychia Stefanou, Anna Symeonidou und Alexandra Hasani. Alle Beteiligten tragen dazu bei, „Goodbye, Lindita“ zu einem ausdrucksstarken Erlebnis zu machen.

Das Publikum spendet am Schluss anhaltenden Beifall und einige Bravorufe. 

Ingo Starz (Athen)

 

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